Hier mal ein Bierchen, dort mal ein Glas Wein – wir kommen fast täglich mit Alkohol in Berührung. Ist das schon problematisch?
Es gibt Mengen, bei denen wir vom riskanten Konsum sprechen. Beispielsweise wenn man an mehr als fünf Tagen pro Woche trinkt oder mehr als ein oder zwei Getränke am Tag.
Und dann gibt es auch andere Anzeichen: Fährt man angetrunken Auto? Trinkt man wegen der Wirkung, beispielsweise um Stress abzubauen oder sich zu beruhigen? Trinkt man bei Kopfschmerzen? Das sind schleichende Prozesse. Wir empfehlen Abstinenztage sowie die empfohlenen Mengen nicht zu überschreiten.
Wann wird's kritisch?
Wenn der Alkohol eine Funktion bekommt, also zur Entspannung, zum Lockermachen dient. Wenn das Trinken zum Drang wird, wenn man die Kontrolle verliert, in Situationen trinkt, in denen es unangemessen ist und mehr trinkt, als man sich vorgenommen hat.
Viele denken wohl: „So schlimm wird das nicht sein, ich bin ja kein Alkoholiker.“ Was sagen Sie dazu?
Alkohol ist immer ein Zellgift. Wenn man sehr wenig trinkt, ist das meistens noch zu verkraften, wenn man riskant konsumiert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Gesundheit Schaden nimmt. Übrigens ist das „Ich bin ja kein Alkoholiker“ interessant, denn das Bild vom Alkoholiker ist bei den meisten völlig falsch. Wer arbeitet, joggen geht und eine Beziehung hat, denkt sich, dass dann alles okay ist. Ja, es ist gut, wenn man das noch auf die Reihe kriegt, doch das heißt nicht, dass mit dem Konsum alles in Ordnung ist.
Man sollte wegkommen von dem Bild, dass Alkoholiker die sind, die kotzen und dann besoffen auf dem Tisch einschlafen. Alkoholiker sind unter uns, jeden Tag, überall. Sie fallen nicht auf. Über 7 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren riskant viel, etwa 1,8 Millionen sind alkoholabhängig. Und bei vielen merkt man es nicht.
Auch bei uns im Wartezimmer der Suchtberatung ist kein Unterschied zum Wartezimmer beim Zahnarzt zu bemerken. Auch Menschen, die zu viel trinken, sind geduscht, rasiert, riechen nicht und sind pünktlich.
Diplom-Psychologe Markus Gätje von der Suchtberatungsstelle Die BOJE
Wie sieht die Entwicklung des Alkoholkonsums bei jungen Menschen aus?
Tatsächlich hat sich die konsumierte Menge an Alkohol reduziert, genau wie immer weniger junge Menschen rauchen, das ist erfreulich. Allerdings nimmt der Konsum von Cannabis und gewissen Partydrogen zu. Es wird auf Partys immer „normaler“, Amphetamine zu nehmen. Und klar, Alkohol spielt auch immer noch eine große Rolle: Wer könnte sich Fußball gucken oder Grillen ohne Bier vorstellen?
Was kann man tun, wenn man unsicher ist, ob man ein Problem hat?
Online gibt es viele Seiten, mit Tests, Infos und Anregungen. Es gibt sogar Beratungen per Mail. Dann ist es auch immer ein guter erster Schritt, ein Konsum-Tagebuch zu führen, um sich klar zu machen, wie viel und wann man eigentlich wirklich trinkt – und wieso.
Auch das Gespräch mit Freunden hilft. Und, last but not least, die Suchtberatungen sind natürlich genau dafür da. Wir beraten auch bei einer ersten Unsicherheit.
Text: Anna Brüning
Fotos: privat, iStock
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