„Unglaublich, was ich in meinem Auto an Töpfen hin- und hergefahren habe“, sagt Manuela Maurer, als sie das Gründungsjahr von Chickpeace Revue passieren lässt. Angefangen hat alles 2016: Seitdem engagiert sich Manuela ehrenamtlich in der Folgeunterkunft für Geflüchtete Am Radeland in Harburg. Schnell fiel ihr auf, dass neben den hier lebenden Familien viele allein gereiste Frauen wohnen. Deshalb überlegte Manuela, wie man die Frauen dabei unterstützen könnte, richtig in Hamburg anzukommen. Dabei ist es vor allem wichtig, Sprachbarrieren ab- und soziale Kontakte aufzubauen.
Und wo könnte man besser Kontakte knüpfen als beim gemeinsamen Essen? So organisierte Manuela, die selbst in der Schanze wohnt, 2016 mit Unterstützung von den lokalen Partnerschaften in Harburg zunächst die sogenannten „Buffet Begegnungen“ in der Folgeunterkunft. Das Konzept: Fünf geflüchtete Frauen treffen auf fünf Hamburgerinnen aus der Nachbarschaft. Zusammen wurde gekocht, gegessen, sich kennengelernt und Rezepte sowie Erfahrungen ausgetauscht. Dabei sprachen die Frauen Deutsch und achteten darauf, saisonale Produkte zu verarbeiten. „Die Chemie stimmte von Anfang an“, erzählt Manuela. „Die Treffen waren eine Bereicherung sowohl für die Frauen aus der Unterkunft als auch für die Hamburgerinnen.“
Als 2016 ein Bekannter von Manuela ein Sommerfest bei sich zu Hause veranstalten wollte sagte sie spontan zu, zusammen mit einigen der Bewohnerinnen die Organisation der Vorspeisen zu wuppen. Und so standen für die Feier diese Köstlichkeiten auf dem Programm: afghanische Gemüsesuppe, syrischer Hummus mit Brotchips, iranischer Milchreis mit Kardamom, mit Fleisch und Koriander gefüllte Teigtaschen aus Afghanistan und ein somalisches Fleischkartoffelgericht. Nomnomnom!
AUFGETISCHT
Für das Chickpeace-Catering werden traditionelle arabische und afrikanische Spezialitäten von den Frauen zubereitet
„Es war vor allem schön zu sehen, wie die Frauen beim Fest die Geschichten hinter ihren Gerichten erzählt haben, beispielsweise zu ihrem traditionellen Hummus-Familienrezept“, sagt Manuela. Auch die Gäste waren begeistert von den internationalen Spezialitäten. Dieses Erlebnis und das positive Feedback von allen Seiten ließen die Organisatorin weiterdenken. So entstand aus der einmaligen Aktion mit der Unterstützung aus Manuelas großem Netzwerk der Catering-Service Chickpeace für arabische und afrikanische Küche.
Sprachkurse gehen vor
Derzeit sind zwölf Frauen für Chickpeace aktiv, acht aus Syrien, zwei aus Eritrea sowie jeweils eine Frau aus Somalia und Afghanistan. Rund zwei Aufträge jede Woche, wie beispielsweise die Weihnachtsfeier von Lemonaid oder Caterings bei Sillicon Pauli und OTTO, werden von dem Team umgesetzt. „Den Dienstplan zu erstellen, ist wie Tetris spielen“, erzählt Manuela. „Denn alle Frauen nehmen an Sprachkursen teil. Und die gehen natürlich vor.“ Bei der Umsetzung der Aufträge machen nicht nur die Kunden durch das afrikanische und arabische Essen neue kulturelle Erfahrungen – auch die Frauen lernen die deutsche Kultur und Lebensentwürfe sowie Hamburg besser kennen.
Egal ob sie als Schnibbelhilfe, Chefköchin oder Spülerin arbeiten, alle Frauen bekommen für ihre Arbeit das gleiche Gehalt pro Stunde. Auch die Unabhängigkeit der Frauen ist Manuela wichtig. Sie können bei Chickpeace Know-How erwerben, aber auch jederzeit, sobald die sprachlichen Kompetenzen ausreichen, woanders eine Ausbildung machen.
„Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani hat mal sehr treffend gesagt, dass wenn wir Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund die Möglichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Teilhabe geben, passiert Integration von ganz alleine“, so die Initiatorin. „Ich denke vor allem die Integration in den Arbeitsmarkt ist eine große Herausforderung.“
GEWINNER-TRUPPE
Manuela (r.) und das Chickpeace-Team bekamen den Gastro-Gründerpreis auf der „Berlin Food Night"
Chickpeace als Erfolgsmodell
Das Projekt kommt gut an und macht weitere Schritte in Richtung Zukunft: Ende 2017 gewann Chickpeace den Gastro-Gründerpreis auf der Berlin Food Night – insgesamt 5.000 Euro Preisgeld flossen direkt in das Projekt, weitere 5.000 Euro können unter anderem in ein Kassensystem investiert werden. Außerdem bekommen die Frauen einen Barista-Workshop und haben die Möglichkeit eine Pop-Up-Location in Köln zu bespielen. Derzeit stehen ihnen zwei Coaches aus Berlin als Berater zur Verfügung, um den Cateringservice in Hamburg auszubauen.
Für die Zukunft kann sich Manuela gut vorstellen, Chickpeace noch weiter voranzutreiben. Aber das Projekt soll weiterhin mit sozialem Gedanken wachsen. „Wir sind keine Wettbewerbshengste, haben keinen Businessplan und die Umsätze sind erstmal zweitrangig“, sagt die Hamburgerin. Ihre Vision ist es, den Catering-Service zu etablieren und als eine Art Modell zu entwickeln, das auch in anderen Bezirken umgesetzt werden kann.
„Rückblickend ist es Wahnsinn, was wir in einem Jahr auf die Beine stellen konnten“, sagt Manuela. „Die Basis ist jetzt geschaffen: Wir haben eine Küche gefunden, in der wir dauerhaft bleiben können und werden immer bekannter. Viele Frauen melden sich bereits proaktiv bei uns. Kunden suchen uns im Netz. Das A und O ist Dranbleiben. Und das werde ich auf jeden Fall.“
MITMACHEN
Ihr findet das Catering-Projekt spannend und würdet es gerne unterstützen? Dann meldet euch bei Manuela! Momentan ist das Chickpeace-Team auf der Suche nach einer studentischen „Allround-Aushilfe“. Besondere Vorkenntnisse braucht ihr nicht – wichtig ist dem Team Offenheit, Flexibilität und Leidenschaft für das Thema!
Weitere Infos zum Projekt: facebook.com/pontonzwei
Kontakt zu Manuela: mail@manuelamaurer.de
Text: Lesley-Ann Jahn
Fotos: Schwarzwald (4)
Kanäle