Während die Menschenmassen vor der Katze, dem Goldfischglas oder der Sofabar so langsam von Touris infiltriert werden, stehen die „cool kids“ zum Trinken schon eine Station weiter am Pferdemarkt. Cornern sollte als großes Gesprächsthema über Kiosk-Bier und Anwohner-Ärger mittlerweile auch bis zum letzten Hamburger durchgedrungen sein. Aber irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, dass die Schanze insgesamt so langsam ihren Charme verliert und zum Mainstream- und Möchtegern-Hipster-Paradies mutiert.

Klar kann man zwischen Schulterblatt und Sternstraße immer noch gut shoppen und flanieren – aber die (Bar-)Szene wird uns doch langsam zu langweilig. Highlights? Die Caipi Happy-Hour in der Katze! Juhu. Neueröffnungen? Die Walfisch Bar auf dem Schulterblatt Anfang des Jahres! Naja. Und am Pferdemarkt? Muss auch nicht sein, jetzt auf ewig den Corner-Drinks im Bermudadreieck zwischen Grünem Jäger, Tabakbörse und Mr. Kebab zu frönen, finden wir.

Gerade im Winter, wenn die Hand am Bier abfriert. Doch eine Durststrecke scheint zum Glück nicht in Sicht, denn wir haben da schon länger ein neues Viertel auf dem Schirm: Die Paul-Roosen-Straße. Was lange nur als Verbindungsstück besoffener Schanzen-Vorglüher zum Kiez genutzt wurde, behauptet sich mehr und mehr als Hotspot. Und das ganz ohne Mühe oder Gezwungenheit. 

Noch ist die Anzahl unserer Lieblings-Locations überschaubar: An der Ecke zur Großen Freiheit liegen das Clockers, der Weinladen tvino, die Tarterie, die Luba Luft sowie die Bar Roosen. Ein Stück weiter finden wir noch das Kraweel sowie die 3 Freunde Bar auf der Ecke zur Wohlwillstraße und das Möwe Sturzflug etwas weiter in der Clemens-Schulz Straße zählen wir mal grob dazu.

Hier kennt man sich noch!

Einer der ersten, der sich „getraut“ und seinen Laden nicht in den bestehenden Bar-Dunstkreisen angesiedelt hat, ist Thorsten Frerichs. Anfang 2014 eröffnete er das Clockers in der Paul-Roosen-Straße 27 – nur einen Steinwurf von der Großen Freiheit entfernt.

Als wir ihn zum Interview treffen, wird deutlich, was den postiven Vibe der Straße ausmacht: Wir leihen uns Stühle bei der Nachbar-Location Kosmos St. Liederlich und setzen uns entspannt vors Clockers. So langsam füllt sich der Fußweg vor den Bars, die Leute stehen draußen oder sitzen auf dem Kantstein. Gefühlt jede dritte Person, die vorbeikommt, hält kurz an und schnackt mit Thorsten. Über jeden gibt es anschließend eine kurze Erklärung à la „arbeitet nebenan“ oder „ist jedes Wochenende hier“. Man kennt sich.

„Das ist der Unterschied zur Schanze“, meint Thorsten. „Hier ist alles noch nicht so anonym und die meisten Besitzer sind jeden Tag selber da.“ Macht Sinn. Oder kennt von euch jemand den Betreiber vom Goldfischglas? Die Präsenz der Inhaber spürt man zudem in der Aufmachung der Läden. Hier steckt noch viel Liebe im Interieur-Detail, den Getränke- und Speise-Karten und der „Gäste-Betreuung“.

Deshalb ist es unserer Meinung nach auch mehr als okay, dass die Drinks hier nicht zum Happy-Hour-Schleuderpreis rausgehauen werden. You get what you pay for: Qualität! Ein weiterer Push-Faktor der Paul-Roosen-Locations ist offensichtlich die Vernetzung untereinander.

​Vor kurzem haben beispielsweise das Clockers und der Weinladen tvino gemeinsam einen Tasting-Room um die Ecke am Ende der Großen Freiheit eröffnet. Die Atmosphäre in der ganzen Straße ist irgendwie entspannt. Das gilt zumindest beim Clockers auch für das Miet-Verhältnis:

„Ich bin damals eher zufällig auf den Standort gestoßen. Früher haben hier die Beginner ihr Tonstudio gehabt, davor war das hier – natürlich – ein Puff“, erzählt uns Thorsten.

„Ich habe zum Glück einen privaten Vermieter, mit dem ich mich auch mal treffen und reden kann. Das macht vieles einfacher. Ansonsten ist es natürlich wie überall in Hamburg schwer, an bezahlbare Locations zu kommen. Aber das Viertel hier wird sich jetzt auf jeden Fall weiterentwickeln.“ Na hoffentlich! Denn noch ein wenig mehr frischen Wind könnte Hamburg dringend gebrauchen – obwohl wir jetzt schon ziemlich zufrieden in unserer neuen Gastro-Hood sind. Also kommt rum, bevor es auch hier wieder zu voll wird!