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News aus Hamburg
NACHHALTIG UND SOZIAL

Der neue Gründer-Spirit

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Geld machen und gleichzeitig die Welt verbessern? Klingt erstmal paradox. Aber viele junge Gründer machen genau das. Sie sind Social Entrepreneure und unterstützen mit ihren Start-Ups verschiedene soziale Projekte. Wir haben uns die Hamburger Szene genauer angesehen, etablierte Gründer nach ihren Erfahrungen befragt und zeigen, wie auch ihr ganz einfach etwas Gutes tun könnt

Eins haben viele soziale Start-ups mit den herkömmlichen Tech-Unternehmen gemeinsam: Sie nutzen moderne Technik, um ihre Ziele zu erreichen. Auch SofaConcerts wäre ohne das Internet aufgeschmissen gewesen. Die Idee der Online-Plattform: Gute Bands an potentielle Fans vermitteln. Für 25 Euro kann sich jeder eine Band ins Wohnzimmer holen, für die WG-Party, einen Geburtstag oder einfach nur so. Ihr Geld verdienen die Gründerinnen mit der Provision.

Miriam Schütt und Marie-Lene Armingeon kennen sich seit der fünften Klasse aus ihrem schwäbischen Heimatstädtchen. „SofaConcerts sind eine Win-Win-Situation“, sagt Miriam. Viele tolle Künstler, die kaum einer kennt, kommen an ihre ersten Auftritte. Und Musikfans freuen sich über die ganz besonderen Konzerte. Das hilft der Indie-Musikszene. Und: „Wir bringen die Kunst dahin, wo sie sonst nicht hinkommen würde – direkt in die Wohnzimmer“.

Für Hamburg als Standort haben sie sich entschieden, weil die Stadt eine große Musikszene hat. Außerdem gibt es hier einige Treffpunkte für Social Start-ups: Im Social Impact Lab in der Neustadt konnten die Gründerinnen beispielsweise andere Sozialunternehmer treffen. „Man kann sich mit vielen austauschen, die ähnliches durchmachen.“

Und es läuft: Acht feste Mitarbeiter, um die 5000 Künstler und 32 Millionen Klicks für eins ihrer Werbevideos verzeichnen die Gründerinnen drei Jahre nach dem Start. Bald wird es einen Mitarbeiter in Frankreich geben.

„Als wir unsere Vision am Anfang aufgeschrieben haben, haben wir nicht gedacht, dass wir sie erreichen können. Aber jetzt sind wir da”, so Miriam. Die SofaConcert-Mädels haben nicht nur ein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt, sondern auch viele Indie-Musiker bei ihrem Aufstieg unterstützt. Deswegen sehen Miriam und Marie-Lene ihr Unternehmen selbst als soziales Start-up, obwohl sie kein nachhaltiges Produkt im engeren Sinne verkaufen. Soziale Projekte können auch mit Kunst, Musik oder Sport zu tun haben – die Ideen sind vielfältig.


Miriam Schütt und Marie-Lene Armingeon kennen sich seit der fünften Klasse und haben zusammen SofaConcerts gegründet.

MIT GELD DIE WELT VERÄNDERN
Das Fintech-Gründerteam von Tomorrow arbeitet an einer nachhaltigen Banking-App, die im Juni an den Start gehen soll. Innerhalb von zehn Minuten kann bald jeder am Smartphone ein Konto eröffnen und Geld in soziale Projekte weltweit investieren, beispielsweise in Bio-Landwirtschaft oder erneuerbare Energien.

Wer will, kann außerdem zukünftig über die App abstimmen, welches Projekt als nächstes dran ist. Denn aus der Sicht von Mitgründer Michael Schweikart aus Hamburg ist das Problem klar: „Mit ihren Geldern finanzieren Banken Waffenunternehmen, die Kohleindustrie und diverse schmutzige Dinge. Wir haben ein Gegenmodell entwickelt.“

Der Gründer hat vorher im Bankbereich gearbeitet – es war nicht immer leicht, sich mit dem anspruchsvollen Thema Geld auseinanderzusetzen. Schwierig waren für das TomorrowTeam vor allem viele komplizierten Gesetze, die man bei einer Bankgründung beachten muss. Aber wer eine große Idee hat, lässt sich davon nicht aufhalten, denn: „Wir glauben, dass man mit Geld die Welt verändern kann.“


Michael Schweikart entwickelt als Gründer mit seinem Team ein Gegenmodell zu klassischen Banken.

MEHR ALS CHARITY
Das Hamburger Paradebeispiel für soziales Unternehmertum kommt in Flaschen daher: Viva con Agua wurde vom FC St. Pauli-Spieler Benjamin Adrion gegründet und setzt sich weltweit für Wasserprojekte ein, zum Beispiel in Uganda und Nepal. 2006 begann die Story mit Spendenaktionen von Ehrenamtlichen. „Irgendwann kam dann die Frage auf: Gibt es etwas, was über das Spendensammeln hinausgeht?“, erzählt Johannes, der bei Viva con Agua für Marketing und Fundraising zuständig ist. Warum nicht die Wasserprojekte durch ein eigenes Mineralwasser finanzieren? Sie suchten Investoren und entwickelten ein umweltfreundliches Konzept.

Eins war ihnen von Anfang an wichtig: „Es sollte nicht einfach nur ein Charity-Produkt sein“, sagt Johannes. Somit bringt er auf den Punkt, worum es bei sozialen Start-ups geht: Es werden nicht einfach pro Verkauf ein paar Cent für Spenden zur Seite gelegt. Stattdessen verfolgt das ganze Unternehmen einen sozialen Zweck.

Dabei ist eben auch ein gesunder Unternehmergeist wichtig: „Man sollte nicht vergessen, seine Mitarbeiter zu bezahlen und sein Produkt auf sichere Füße zu stellen. Sonst ist man schneller pleite, als man gucken kann.“ Im Viva con Agua Team kommen laut Johannes viele Idealisten zusammen, die oft hohe Ansprüche an das Unternehmen haben. Immer wieder gab es deswegen Grundsatzdiskussionen, wie über die Abfüllung des Wassers in Plastikflaschen. „Meistens findet sich aber ein Kompromiss, um dann motiviert weiterzuarbeiten.


Johannes Tomczak ist bei Viva con Agua für Marketing und Fundraising zuständig.

NÄCHSTENLIEBE ALS PRODUKT
Auch die vier Mädels von der St. Pauli Chapel of Love haben so viel Spaß an ihrem verrückten Projekt, dass sie nun lieber Vollzeit Liebe geben wollen, statt weiter in ihren regulären Jobs  – Köchin, Ärztin, Requisiteurin und Pflegewissenschaftlerin – zu arbeiten. Ihr Geschäftsmodell? Nächstenliebe! In einem zur Kapelle umgebauten, bunt-dekorierten Oldtimer-Bus sind die Mädels auf Festivals und anderen Events unterwegs und verheiraten liebestolle Leute. „Es steht nicht die Liebe zwischen Mann oder Frau im Vordergrund", so Gründerin Valli Burder aus St. Pauli. „Wir unterstützen gleichgeschlechtliche Ehen, aber auch die platonische Liebe zu Freunden, Haustieren oder den Lieblingsschuhen.

Das Chapel-Team schreibt individuelle Reden und hat schon eine zehnköpfige peruanische Band miteinander verheiratet und zwei Frauen jeweils mit sich selbst. Ihre Einnahmen auf Spendenbasis fließen weiter an Projekte aus dem Stadtteil, wie das Kinderhospiz Sternenbrücke. Gerade steht die Frage an: „Wie können wir das Projekt ausbauen und davon leben?“ Vor dieser Herausforderung stehen viele soziale Start-ups mit einer überzeugenden Idee. 

Es ist ein weiter Weg bis zur Marktreife und viele sind in dem neuen Bereich komplett unerfahren.
​Es fehlt betriebswirtschaftliches Wissen: Wie schreibt man einen Businessplan? Kommt das Produkt auch wirklich an? Wer investiert in das Unternehmen? Wer gründet, muss sich vieles selbst beibringen und auch mal Selbstzweifel aushalten. Aber es lohnt sich – denn neben den Unternehmern und den unterstützten Projekten hat noch jemand etwas von den Social Start-ups: Wir als Kunden! Denn wir können uns nebenbei beim Wassertrinken oder Geld überweisen für eine sozialere Alternative entscheiden. 

ANLAUFSTELLEN IN HAMBURG:
» Betahaus: Coworking und Austausch. Eifflerstr. 43 (Sternschanze), hamburg.betahaus.de

» Social Impact Lab: Beratung und Coworking. Pastorenstr. 16 (Neustadt), hamburg.socialimpactlab.eu

ONLINE-TIPPS:
» Innovative City: Coaching und Vernetzung. innovativecity.eu 

STAMMTISCHE UND VERNETZUNG:
» tbd*: Digitales Hub für Jobs, Workshops und zum Netzwerken. tbd.community/de/events

» Ashoka: Deutschlandweites Finanzierungsprogramm und Netzwerk. ashoka.org/de

Text: Sabrina Pohlmann
Fotos: Siemers, Entrepreneurs, Wiards (2)

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