Gelernt hat er Elektriker. Aber für Spannung sorgt er nur noch in der Glotze: Wotan Wilke Möhring ist ein klassischer Quereinsteiger. Er hat den Job gewechselt und eine steile Karriere hingelegt. Das kann jeder. Einer wie Roman Reimer (Foto) beispielsweise. Sicherer Job, sicheres Gehalt, sichere Perspektive – die ihn gelangweilt hat. Ein Jahr hat es der 25-jährige Bielefelder in seinem erlernten Beruf ausgehalten, bevor ihm dämmerte, dass ein Leben als Speditionskaufmann zu farblos ist. Immerhin war er beim Global Player Schenker fest angestellt. Vorbei. Künftig will er lieber knackige Texte liefern.
„Ich habe immer schon Sprachfetzen aus Unterhaltungen fremder Menschen im Alltag notiert und daraus Lyriks oder Raps gemacht“, erzählt er. Demnächst macht er seinen Abschluss an der Hamburger Texterschmiede. Dann ist er Werbetexter und bewegt Menschen dazu, einzukaufen.
So wie Bobby Deckeyser. Der Chef des deutschen Outdoor-Möbel-Herstellers Dedon hatte mit 15 Jahren schon neun Schulen hinter sich, bevor er die Schulausbildung endgültig schmiss, auch im Profifußball eher zum Loser wurde und schließlich mit Möbeln Millionen machte. Und wie Richard Branson. Der Gründer der Plattenfirma Virgin hat auch alles erreicht – bis auf einen Schulabschluss.
Lebenswege verlaufen heute sehr viel kurviger als früher. Kaum jemand arbeitet in dem Beruf, von dem er als Kind geträumt hat, wenige junge Menschen werden in der Firma alt, in der sie als Azubi oder Trainee gestartet sind. „Ich bin heilfroh, dass ich vor langer Zeit studiert habe“, sagt Bernd Nixdorff, Psychologe in der Zentralen Studienberatung der Uni Hamburg. „Bis ungefähr zum Jahrtausendwechsel hatten Studierende viel Zeit, den passenden Weg für sich zu suchen“, sagt er. Diese Zeit kommt wieder.
„Sich vor Beendigung des Studiums umzuorientieren, kann der bessere Weg sein.“ Handelskammer-Chef Hans-Jörg Schmidt-Trenz.
Jedenfalls freut sich die Wirtschaft auf junge Menschen, die sich auf dem akademischen Weg verlaufen haben und auf eine innerbetriebliche Ausbildung umschwenken. Mit 2000 Studienabbrechern jährlich rechnet zum Beispiel die Handelskammer. Ein Jackpot für die Firmen, denn die müssen dringend Ausbildungsstellen besetzen.
Die grassierende Lust auf Menschen, die sich beruflich erst ausgiebig ausprobieren möchten, bestätigt auch Jürgen Feindt, Personal-Chef des Hamburger Unternehmens ECE, das weltweit Shopping-Malls betreibt. „Ich interessiere mich vor allem für Bewerber, bei denen ich Mut und Leidenschaft für ihre Tätigkeit erkenne.“ Seiner Meinung nach werten Umwege im Lebenslauf eine Bewerbung in vielen Fällen sogar auf.
„Die Rückkehr ins alte Leben schließe ich definitiv aus. " Roman Reimer
Roman, der künftige Werbetexter, fühlt sich nach seinem Relaunch jedenfalls im Traumjob angekommen. „Zu meinen Chefs habe ich fast schon ein kumpelhaftes Verhältnis. Ich gehe gern zur Arbeit, früher war das anders.“ Die Rückkehr in seinen alten Beruf schließt er definitiv aus.
Fehler ziehen sich durch die junge Karriere von Roman wie ein roter Faden: „Wir machen Fehler“ war der Claim eines Poetry-Slams in der Texterschmiede – eine Übung, mit dem die Studis ein Unternehmen bewerben sollten. Sein Ansatz für ein Dolmetscher-Büro: Wir lernen aus Fehlern nicht nur, aus Fehlern machen wir Umsatz. Roman hat den Slam übrigens gewonnen.
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