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CROWDFUNDING

Der (perfekte) Weg von einer Crowd bis zum Funding

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Crowdfunding zählt in den USA bereits seit langem zu einer beliebten Finanzierungsmöglichkeit für Start-Ups. Mittlerweile nutzen auch immer mehr hamburger Entrepreneure diese Methode, um an Startkapital für ihre Geschäftsideen zu kommen. Doch wie kann man eine erfolgreiche Kampagne starten? Wir haben mit der Expertin Isabel Jansen gesprochen, die Crowdfundingworkshops in Hamburg gibt.

Isabel Jansen arbeitet bei der Hamburg Kreativgesellschaft, einer städtischen Fördereinrichtung, angegliedert an das Amt für Kultur und Medien. Dort ist sie vor allem für den ‚,Crowdfunding Club’’ zuständig. Vor einigen Jahren startete Isabel selbst eine eigene Crowdfunding-Kampagne für eine Filmproduktion. Damals hätte sie wohl nicht gedacht, dass sie nur ein paar Jahre später als Expertin in diesem Bereich agieren würde.

Isabel Jansen von der Hamburg Kreativgesellschaft

Isabel, was genau macht ihr beim „Crowdfunding Club“ und wie helft ihr den Teilnehmern, ihre Träume zu realisieren?
Wir hatten jahrelang eine eigene Crowdfunding Plattform für den Raum Hamburg namens Nordstarter, auf der wir speziell Projekte aus dem kreativen Bereich vorgestellt haben. In dieser Zeit haben wir unglaublich viel gelernt, darüber was gutes Crowdfunding ausmacht und auch wann sich Ideen mal nicht lohnen. Dieses Wissen und die Erfahrungen geben wir jetzt im „Crowdfunding Club“ weiter, der einmal im Monat stattfindet. Dort erzähle ich erstmal allgemein, was Crowdfunding eigentlich ist, welche verschiedenen Arten es gibt und wie man sich am besten auf eine Kampagne vorbereiten kann. Manchmal laden wir ehemalige Projektstarter ein, die über ihre Erfahrungen sprechen oder auch mal Steuerberater, die den Teilnehmern alles rund um das Thema Steuern und Crowdfunding erklären.

Was genau ist Crowdfunding und wie funktioniert es?
Es gibt vier verschiedene Arten von Crowdfunding. Die erste ist Crowd Investing, wo meist kleine oder mittelständige Investoren Projekte unterstützen, um irgendwann an deren Gewinnen beteiligt zu sein. Diese Art von Crowdfunding lohnt sich für Start-Ups mit Wachstumspotential. Die zweite Art ist das Lending based Crowdfunding, wo es um eine Art Kleinkredit geht. Diese werden von der Crowd an die Starter vergeben und müssen verzinst zurückgezahlt werden. Die Crowd kann sowohl aus Privatpersonen als auch aus Institutionen bestehen. Lending based Crowdfunding lohnt sich für die Projektstarter aus dem Grund, weil die Zinsen meist deutlich geringer sind als beispielsweise bei einer Bank.

Die dritte Art ist das Donation based Crowdfunding, die eine Spende der Crowd beinhaltet. In diesem Fall bekommt die Crowd dann weder Gewinnanteile noch verzinstes Geld, sondern lediglich Karma-Punkte und ein gutes Gefühl oder vielleicht auch mal eine Spendenquittung. Die vierte und somit letzte Art ist das Reward based Crowdfunding. Dieses Crowdfunding ist das, was die meisten unter dem Begriff verstehen. Die Crowd geht hier einen Kaufvertrag ein oder besser gesagt eine Produktvorfinanzierung. Die Starter können ihre Produkte oder Ideen vorstellen, auch wenn diese vielleicht noch gar nicht produziert sind. Bei einer Unterstützung kann die Crowd sich dann ein Dankeschön aussuchen.

Welche Portale sind am besten geeignet?
Es kommt ganz darauf an, welchen Markt man betreten und welche Zielgruppe man erreichen möchte. Wir zum Beispiel hatten ja Nordstarter, eine Plattform, die auf Nordenddeutschland fokussiert war, entwickelt. Diese gibt es auch heute noch, allerdings kooperieren wir jetzt mit der Plattform Startnext, die deutschlandweit und auch in der Schweiz sowie Österreich aktiv ist. Wenn die Zielgruppe sich also in diesen Ländern aufhält, dann wäre Startnext die perfekte Lösung. International bekannte und meistgenutzte Plattformen sind Kickstarter und Indiegogo, die würden sich dann anbieten, wenn man eine Crowd über den deutschsprachigen Raum hinaus ansprechen möchte.

Wann empfiehlt es sich, eine Crowdfundin-Kampagne zu starten?
Crowdfunding ist ein sehr schöner Weg, um Neues auszuprobieren. Vor allem für Ideen, die sonst so schnell keinen Kredit bekommen würden. Beispielsweise wenn Musiker die Texte und Beats haben, aber kein Geld, um daraus richtige Songs zu produzieren. Generell ist Crowdfunding super für alle, die selbst so von einer Idee begeistert sind, dass sie andere mindestens genauso davon zu überzeugen können.

Wie sollte man an eine Kampagne idealerweise herangehen?
Der Grundstein ist eine detaillierte und gute Vorbereitung, auch wenn das jetzt nicht super innovativ klingt. Dabei ist ein visuell ansprechendes Pitch-Video mindestens genauso wichtig wie ein gutes Storytelling. Zu Beginn wird kaum jemand einfach so über eine Kampagne berichten und genau deswegen muss man für Aufmerksamkeit sorgen. Wichtig ist auch vorab zu schauen, wie groß das eigene Netzwerk ist, denn es ist viel einfacher Finanzierungen von Menschen zu bekommen, die bereits etwas über die geplanten Projekte wissen, als eine komplett fremde Crowd von den Ideen zu überzeugen.

Mit wie viel Geld kann man wofür etwa rechnen und was sollte man bei der Budgetplanung beachten?
Pauschal kann ich keine Beträge nennen, weil die Projektstarter sich ihre Fundingziele selbst setzen dürfen. Die Durchschnittssumme bei Nordstarter war so circa 8.000 Euro, aber wir hatten ja nur Hamburger Projekte aus dem Kreativbereich. Einmal hat aber ein Dokumentarfilmprojekt auch über 300.000 Euro eingenommen. Die Spannbreite ist also ziemlich groß. Bei der Planung ist eine realistische Einschätzung des Fundingziels sehr wichtig. Denn wenn auch nur ein Euro am Stichtag fehlt, ist das Projekt gescheitert und die Crowd bekommt ihr Geld zurück.

Welche bekannten Crowdfunding Projekte aus Deutschland sind dir in Erinnerung geblieben?
Ich durfte schon sehr viele coole Projekte beobachten. Aktuell finde ich das „Demokratie Festival“, das am 12. Juni in Berlin im Olympiastadium stattfinden soll, sehr beeindruckend. Diese Crowdfunding Kampagne wurde gestartet von einem nachhaltigen Start-Up Unternehmen namens Einhorn aus Berlin, um mit dem Festival demokratiefördernden Initiativen und zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Bühne zu geben. Das Fundingziel lag bei 1,8 Millionen Euro, was extrem hoch ist. Trotzdem wurde innerhalb kürzester Zeit das Ziel nicht nur erreicht, sondern mit über 2 Millionen Euro weitaus überschritten. Ein super Beispiel dafür, dass alles möglich ist, wenn man eine visionäre Idee hat und eine Masse findet.

Welche Trends konnten in den letzten Jahren beobachtet werden und wie sieht die Crowdfunding Zukunft in Deutschland aus?
Zu Beginn war man hier eher misstrauisch. Es entstand relativ schnell eine Art Hype, der eine gewisse Zeit anhielt. Ich würde aber behaupten, dass die anfänglichen großen Erwartungen, darüber was Crowdfunding alles kann, nicht ganz erfüllt wurden. Es ist halt nicht so massentauglich, wie die Macher es sich ursprünglich erhofft hatten. Trotzdem denke ich, dass Crowdfunding weiterhin viele tolle Projekte zum Vorschein bringen wird. Vor allem im Kreativbereich, wenn Künstler ihre innovativen Ideen mit der Welt teilen und realisieren möchten. Auch Projekte, die sich auf Themen wie Nachhaltigkeit beziehen, werden immer mehr Unterstützer finden. Ich hoffe sehr, dass junge Menschen zunehmend ermutigt werden und selber mal Crowdfunding ausprobieren.
 

  • Erfolgreiche Crowdfunding Projekte aus Hamburg

Der Kandie Shop – ein Café im Herzen St. Paulis
Dies ist ein etwas ungewöhnliches Beispiel für eine Crowdfunding Kampagne, weil es den Kandie Shop bereits seit 2006 gibt. Anfangs wollte Kerstin Rose, die Gründerin des Cafés, einfach nur die erste in der Nachbarschaft sein, die ab 8 Uhr Kaffee und leckere Bagels anbietet. Mittlerweile ist der Kandie Shop viel mehr als das. Ein beliebter Treffpunkt im Viertel, der einem das Gefühl von zu Hause vermittelt. Klingt alles perfekt, jedoch droht eine Schließung, weil die Räumlichkeiten nicht den aktuellen behördlichen Auflagen entsprechen. Das wollen weder Kerstin noch die Nachbarschaft zulassen. Deswegen startete sie im Dezember 2019 eine Crowdfunding Kampagne via Startnext und erreichte ihr Fundingziel von 20.000 Euro mithilfe der Community. Wenn sie jetzt noch weitere 5.000 Euro sammelt, wird sie eine unvergessliche Blockparty auf'm Kiez steigen lassen, wo jeder herzlich eingeladen ist. Ach ja, und sie wird natürlich die Räumlichkeiten den behördlichen Auflagen anpassen.
Wohlwillstr. 16, Mo-Fr: 8-18 h, Sa 9-18 h, So 10-18 h

Kerstin Rose ist Gründerin des Kandie Shops

Faltenrock
Leonie Kock und Janina Rasch sind zwei junge Mädels, die sich zufällig mit der gleichen Idee hinterm Bartresen beim Faltenrock trafen: Eine Doku über diese besondere Szene zu drehen. Faltenrock ist eine Ü-60 Party auf St. Pauli. Da fragt man sich vielleicht, was zwei junge Mädchen da wollen? „Wir möchten einen Austausch der Generationen schaffen und die Ergebnisse an ein größeres Publikum bringen, denn schließlich werden wir alle mal alt.“ Da den beiden das nötige Kleingeld für eine solche Filmproduktion fehlte, starteten sie eine Crowdfunding Kampagne bei Nordstarter und erreichten ihr Ziel von 12.000 Euro. So drehten sie einen wunderbar ehrlichen und authentischen Film über diese besondere Partyszene Hamburgs und den Ruhestand, der keiner sein muss.
Nähere Infos zum Film und zu Terminen gibt es hier
 

Janina Rasch und Leonie Kock sammelten Geld für ihr Filmprojekt.

Text: Anna Purtseladze
Fotos: Reetz (1), Egel (1), privat (1)

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