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News aus Hamburg
STUDIENPLATZKLAGE

Erst vor Gericht, dann in den Hörsaal

Auch keinen Platz bekommen? Immer mehr Studierende klagen sich an der Universität ein, weil sie abgelehnt wurden. Die UNISCENE hat sich mit Einklägern, Anwälten und den Hochschulen unterhalten: Worauf kommt es bei der Studienplatzklage an?

Das Semester steht kurz vor der Tür, für einige Studienanfänger waren die letzten Monate daher besonders aufregend. Viele stellten sich die Frage: Bin ich überhaupt zugelassen worden? Dann kam der Schock: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen...“ Da sich immer mehr junge Menschen für ein Studium entscheiden, ist der Weg an die Hochschulen schwieriger geworden. Vielen Bewerbern bleibt am Ende nur noch die Studienplatzklage. Eine Verzweiflungstat, die immer mehr Studierende wählen, die aber auch mit oft hohen Kosten, viel Geduld und Anstrengung verbunden ist.

Für Aileen (24) gab es keinen anderen Weg, als sie sich im Wintersemester 2009/2010 für Erziehungswissenschaften an der Uni Hamburg eingeklagte. „Von dem Verfahren hörte ich von meinem Mitbewohner.“ Sie ging zum AStA und ließ sich beraten. „Im Internet gab es sogar ein vorgefertigtes Schreiben an die Uni, um Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid einzulegen –ich bin komplett ohne Anwalt ausgekommen.“ Und schon war Aileen mitten im Klageverfahren.

Frank Selbmann, der sich als Anwalt in Leipzig auf Studienplatzklagen spezialisiert hat und viele Klagen betreut erklärt: „Alle Studierende berufen sich bei ihrer Studienplatzklage auf Artikel 12 des Grundgesetzes, in dem steht, dass jeder seinen Beruf frei wählen kann. Ein NC schränkt dieses Recht erheblich ein, doch das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass dieser Artikel nicht verletzt wird, wenn die Universitäten alle möglichen Plätze vergeben."

Wie funktioniert eine Klage?

Die Studienplatzklage setzt genau hier an: die Studierenden versuchen der Uni nachzuweisen, dass doch noch nicht alle möglichen Plätze vergeben wurden. Der erste Schritt ist ein „Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid“. Dafür braucht man keinen Anwalt, das kann jeder selbst machen, es gibt genügend vorgefertigte Formulare im Internet. Normalerweise wird zeitgleich ein „einstweiliges Anordnungsverfahren“ beantragt, was bedeutet, dass ein „vorläufiger Studienplatz“ angestrebt wird. Hier greifen viele zum Anwalt, denn jetzt muss der Universität genau nachgewiesen werden, dass doch noch Platz ist.

Das bedeutet sehr komplexe Berichte und Erklärungen der Uni zu lesen, um irgendwo Fehler zu finden. „Solche Nachweise kann ein Anwalt einfach fachkundiger vortragen“, betont Selbmann. Das wichtigste für Kläger ist auf jeden Fall die Fristen einzuhalten. Werden die nicht beachtet, sind die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang der Klage sehr schlecht. Dr. Frank Selbmann erklärt, worauf es hier besonders ankommt. „Diese Fristen setzt jedes Bundesland anders, daher sollte man sich vorher sehr gut informieren." Ein komplettes Klageverfahren kann seine Zeit dauern, einige warten mehrere Semester auf die Entscheidung des Gerichts.

Zeit, die für die Einkläger überaus nervenaufreibend sein kann. Aileen erzählt, dass für sie sehr viel an der Klage in Hamburg hing: „Ich hatte zuvor nach meinem Abi schon ein Jahr Pause gemacht, deswegen wollte ich unbedingt anfangen zu studieren. Das schlimmste für mich war jedoch, dass ich während der Wartezeit kaum Ansprechpartner hatte und nach meiner Zulassung viel zu spät dran war, um meine Kurse zu wählen. Immerhin bin ich dann recht schnell zugelassen worden – ohne Anwalt und in der ersten Instanz.“

AStA bietet Hilfe an

Anna-Lena Gross ist Referentin für Soziales, Recht und Antidiskriminierung beim AStA. „Wir bieten Studierenden auf dem Weg ins Studium Beratungsmöglichkeiten rund um eine anstehende Klage an. Das gilt im übrigen auch für Bachelor-Absolventen, die keinen Masterplatz bekommen haben.“ Dabei geht es in erster Linie darum, auf wichtige Fristen hinweisen, Formulierungshilfen zu geben und Ängste zu nehmen. Es gibt auch einen Reader, der online verfügbar ist und die wichtigsten Informationen zusammenfasst. „Wir können die Studierenden so gut wie möglich vorbereiten, viele wissen nicht, dass die ersten Schritte einer Klage ohne Anwalt möglich sind.“

Emmanuel (22) studiert Soziologie und Afrikanistik an der Universität Hamburg – auch er hat sich eingeklagt. Damals hieß seine Fächerkombination noch Soziologie und Spanisch, später ersetzte er Spanisch durch Afrikanistik. Er hat sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, wie die Uni und deren Mitarbeiter mit Einklägern umgehen. „Ich habe mich eingeklagt, weil ich mich da reingesteigert habe. Ich hatte mich von einem Anwalt beraten lassen, und als ich dann in der ersten Instanz abgelehnt wurde, bin ich automatisch den nächsten Schritt gegangen.“ Schlussendlich war auch Emmanuels Klage nach knapp acht Monaten Wartezeit erfolgreich.

Diese Wartezeit habe er sehr unterschiedlich erlebt, in seinem Hauptfach Soziologie stieß er bei Kommilitonen und Dozenten auf viel Verständnis und durfte trotz fehlender Immatrikulation an Kursen teilnehmen und diese sogar mit Prüfungen abschließen. „Man sagte mir, dass sie mir das schon anrechnen würden, wenn ich erst einmal immatrikuliert sei. Die Leute an der sozialwissenschaftlichen Fakultät gehen mit Einklägern ganz normal um, das war wirklich großartig.“ Ganz anders war die Situation in seinem Nebenfach Spanisch. „Die Dozenten ließen mich nicht in ihre Seminare, weil sie nicht den Sinn darin sahen, mich mit einzubeziehen, da ich nicht sicher bleiben könne.“

Was kostet eine Klage?

Während der gesamten Zeit hat Emmanuel keinen Ansprechpartner an der Uni gehabt – sein Anwalt konnte auch nichts weiter machen als auf eine Antwort der Uni zu warten. Nach acht Monaten der Ungewissheit ließ sich die Universität Hamburg in zweiter Instanz auf einen Vergleich an. Sie bot Emmanuel einen sofortigen Studienplatz an, dafür müsste er jedoch die Gerichtskosten zahlen. Das bedeutet, nicht nur seine Anwaltskosten, sondern auch die der Universität Hamburg. „Ich hab's gemacht, weil mein Anwalt mir sagte, das sei ein gängiges Verfahren und außerdem wollte ich endlich durch sein mit diesem Thema.“ Im Endeffekt kostete Emmanuel die Klage 1400 Euro.  

Dass die Kosten für eine Klage sehr unterschiedlich sein können, weiß auch Imke Schröder. Sie ist Anwältin und ebenfalls auf Studienplatzklagen spezialisiert. „Die Kosten hängen alleine schon davon ab, an wie vielen Unis man sich einklagen möchte.“ Anwälte beziehen teilweise auch sehr unterschiedliche Honorare. "Ein Vergleich, wie er Emmanuel bei seiner Klage letztendlich von der Uni angeboten wurde, ist tatsächlich ein sehr gängiges Verfahren", erklärt Schröder. „Damit wollen die Universitäten ihre eigenen Kosten senken.“

Besonderheiten bei medizinischen Studiengängen

Auch wenn für Bachelor-Studiengänge die Erfolgsquote insgesamt sehr hoch sein mag, so gibt es dennoch Studiengänge, bei denen eine erfolgreiche Klage sehr schwierig werden kann. Dazu gehört vor allem Medizin. Hier läuft das Klageverfahren etwas anders, da Studienplätze über die Stiftung für Hochschulzulassung in Dortmund vergeben werden. Bei Studiengängen wie Medizin muss daher zuerst ein „Antrag auf Zulassung außerhalb der Kapazitäten“ gestellt werden. Erst dann geht die Klage ihren normalen Weg über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid und das einstweilige Anordnungsverfahren. Bei einer Bewerbung sollte man aber beachten, dass man bei der Bewerbung über die Stiftung für Hochschulzulassung bereits Wünsche für den Studienort angeben muss – bis zu sechs sind möglich. Durch diese Auswahl wird schon ein Weg für die Klage vorgegeben, da diese Angaben und vor allem die angegebene Präferenz bei der Klage eine wichtige Rolle spielen.

Außerdem ist es ratsam, sich über jede mögliche Quote, also über den NC und Wartesemester, zu bewerben, um so die Chancen zu erhöhen. Insgesamt ist die Studienplatzklage für medizinische Fächer von vielen zusätzlichen Hürden und besonderen Schwierigkeiten geprägt, über die man sich vorher gut informieren sollte. Diese Hürden in Kombination mit der hohen Klägerzahl machen eine Studienplatzklage in Medizin zwar erheblich schwieriger als in normalen Bachelor-Studiengängen, nicht aber unmöglich.

Wie bereitet man sich also bestmöglich auf eine Studienplatzklage vor? Zunächst ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, wo genau man sich einklagen möchte. Welche Uni ist für mich die beste? Wo sind die Chancen für eine Klage hoch? Anwälte und AStA können hier aus ihren Erfahrungen berichten. Dann sollte man sich bewusst werden, welche Schritte einer Klage wann notwendig sind und sich frühestmöglich fragen, wie man durch die Klage gehen möchte: alleine oder mit einem Anwalt? Außerdem ist es praktisch, sich eine Liste zu machen, auf der alle wichtigen Termine und Informationen zu den Unis aufgelistet sind.

Alternativ zur Klage kann man auch versuchen über die sogenannte Härtefallquote oder über gesammelte Wartesemester an einen Studienplatz zu kommen. Wenn man beispielsweise einen Zivildienst abgeleistet hat, kann man sich Wartesemester anrechnen lassen und so über eine andere Quote als den NC an den Studienplatz kommen. Ähnlich funktioniert es bei der Härtefallquote. Hierunter fallen alle, die aus familiären oder sozialen Gründen an den jeweiligen Studienort gebunden sind. Wichtig ist, dass ein Antrag auf Härtefallzulassung bereits bei der Bewerbung gestellt werden muss und nicht nachträglich möglich ist. Auch wenn der Weg ins Studium manchmal langwierig und kompliziert ist, raten Aileen und Emmanuel vor allem eins: Am Ball bleiben. Geduld und Einsatz zahlen sich häufig aus.

Foto: istockphoto.com

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