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REBEL MINDS

Frauen, die erfinden, sind rebellisch

Aber muss man tatsächlich eine Rebellin sein, um den Paketfallschirm, die Wegwerfwindel oder das Frequenzsprungverfahren zu erfinden? Melanie Jahreis, die Autorin von „Rebel Minds – 44 Erfinderinnen, die unsere Welt verändert haben" enthüllt die Vorurteile und Barrieren, denen Frauen in Wissenschaft und Technik ausgesetzt sind und erzählt, wie sie dennoch erfolgreich ihren Weg beschreiten.

Erfinderische Frauen haben nicht nur mit den normalen Schwierigkeiten zu kämpfen, die damit verbunden sind, eine außergewöhnliche Idee in die Tat umzusetzen. Noch immer müssen sie sich auch gegen jene Vorurteile und Barrieren durchsetzen, die sich ihnen als Erfinderinnen in den Weg stellen: „Erfindungen sind Männersache", lautet eines dieser Vorurteile. „Frauen und Technik..." ein anderes. „Hinter jeder Erfinderin steht ein Mann", ein drittes.

Auch die Barrieren sind zahlreich: In der Vergangenheit mussten Frauen einen steinigen Weg gehen, um Wissen zu erwerben, denn viele jahrhundertelang wurde ihnen der Zugang zu Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Bibliotheken verwehrt und auch ihre schulische Bildung war dürftig oder gar nicht vorhanden. Noch bis ins 20. Jahrhundert wirkten Frauen überwiegend am Herd und im Haushalt ihrer Familien.

Männer sahen die weibliche Tugend vor allem darin, männliche Genies zu gebären und großzuziehen – zu Unrecht, denn schon vor hunderten von Jahren prägten Frauen die Welt mit ihren bahnbrechenden Erfindungen und Entdeckungen.

Gender Innovation Gap

Allerdings wurden die Erfindungen zunächst von Männern patentiert, da dem weiblichen Geschlecht das Anmeldenvon Patenten bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts verboten war – man trauten ihnen weder Kreativität noch Geschäftssinn zu. Worte wie „Ick hab' dat Patent, basta!", von Herta Heuver, der Erfinderin der Currywurst, hört man noch immer selten aus weiblichen Mündern. Denn die wenigsten Erfindungen, die in Deutschland zum Patent angemeldet werden, sind von Frauen. Dies liegt vor allem an der Berufswahl, die meist nur wenig patentaffin ist. Angebote zur Berufsorientierung, wie der Girls' Day, haben daran bislang wenig geändert.

Matilda-Effekt

Der Blick in die Wissenschaft zeigt ein ähnliches Dilemma. Auch hier wurden die Leistungen von Frauen jahrhundertelang stillschweigend ausgeblendet oder ganz aus dem Gedächtnis gelöscht. Wollten Frauen trotzdem forschen, dann mussten sie dies ohne Bezahlung und unter einem ihnen wohlgesonnenen Mann tun. Daher erklärt sich die nicht geringe Anzahl an Forscherpaaren. Die Ergebnisse und Erfolge wurden jedoch noch bis ins 20. Jahrhundert ungeteilt dem männlichen Part zugerechnet.

So wundert es nicht, dass der Nobelpreis für die Entdeckung der DNS-Doppelhelix durch das Forschertrio Franklin, Watson und Crick in den 1950er Jahren bei zwei Männern landete und in der Dankesrede nicht einmal ein Wort über Rosalind Franklin fiel. 

Die Marginalisierung von Frauen in der Wissenschaft findet aber auch noch auf weiteren Ebenen statt. Erst kürzlich wurde Donna Strickland ein Eintrag auf Wikipedia verwehrt, mit der Begründung, dass sie noch nicht die Kriterien an Bedeutsamkeit erfülle. Unwissend, dass sie wenige Monate später für ihre Forschung mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet wurde.

Schon in den 1990er Jahren gab die Historikerin Margaret W. Rossiter der systematischen Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft einen Namen: Sie nannte es „Matilda-Effekt", zu Ehren von Matilda Joslyn Gage, die im 19. Jahrhundert eine Pionierin im Kampf um die Gleichberechtigung der Frau gewesen war. 

Rebellinen heben ab!

Gleichberechtigung braucht es auch, um Frauen in der Wissenschaft und Technik zu stärken, denn die traditionellen Rollenbilder stellen für rebellische Forscherinnen die größte Hürde dar. Dabei ist die Mehrheit der Menschen bereit dazu, ihnen den Weg zu ebnen. Heutzutage darf sich keine Frau davor scheuen, verrückte Träume zu haben, sich hohe Ziele zu stecken und entschlossen dem eigenen Weg zu folgen.

Dazu motivieren auch die Geschichten jener Erfinderinnen der Vergangenheit und Gegenwart. Sie zerstreuen jegliche Zweifel an den weiblichen Fähigkeiten und Fertigkeiten und zeigen, wie Frauen sich maßgeblich an den Fortschritten in der Wissenschaft, Technik und im alltäglichen Leben beteiligen.

Unsere Gesellschaft kann es sich keinesfalls erlauben, auf die Hälfte ihrer Talente zu verzichten. »Ich habe gelernt, dass man nie zu klein ist, um etwas zu bewirken«, hat Greta Thunberg, die Begründerin der Fridays-for-Future-Bewegung, einmal gesagt. Und Florence Nightingale, der wir die wissenschaftliche Krankenpflege verdanken, hat schon im 19. Jahrhundert gemeint: 

„Wenn man mit Flügeln geboren wird, sollte man alles dazu tun, sie zum Fliegen zu benutzen." 

In diesem Sinne: Hebt ab und entdeckt eure rebellischen Talente!

Melanie Jahreis war bis zu ihrer Elternzeit als Kuratorin der Sonderausstellungen im Deutschen Museum beschäftigt. Im September 2020 veröffentlichte sie im C.H.Beck Verlag das Buch „Rebel Minds - 44 Erfinderinnen, die unsere Welt verändert haben“. Als freiberufliche Wissenschaftlerin arbeitet sie heute im Bildungswesen.

Text: Melanie Jahreis; Abbildungen: Katinka Reinke

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