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News aus Hamburg
MACH DEIN DING!

Frei, mutig, kreativ: Erfolg durch Selbstverwirklichung

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Immer mehr junge Hamburger machen sich selbstständig und investieren für ihren Traum Energie, Zeit und Geduld. Dahinter steckt der Wunsch, sich selbst zu verwirklichen. UNISCENE schaut sich den neuen Lifestyle näher an und zeigt aktuelle Erfolgsstorys aus der City.

Zum Interview kommt Yasmin Faslija (Foto) mit ihrem schwarzen Audi gefahren. Auf dem Rücksitz liegen Bälle, Seile und ein Schwert, auf dem Beifahrersitz ihre Sporttasche. „Das hier ist mein Gym to go“, lacht Yasmin (29). „Das Auto hat mich quasi in die Freiberuflichkeit gefahren.“ Seit fünf Jahren cruist Yasmin mit „SelfDefense“ jeden Tag durch Hamburg – von einer Sporthalle zur anderen, von der Grundschule zum Bürokomplex. Die einen kennen sie als Kung-Fu-, die anderen als Fitnesstrainerin. Als Freiberuflerin geht sie nicht nur individuell auf die Wünsche sportbegeisterter Kunden ein, sondern kann vor allem ihren eigenen Interessen Raum geben und sich selbst verwirklichen.

 „Ich habe mich Hals über Kopf selbstständig gemacht und mir meinen Traumjob selbst gebastelt!“ Yasmin Faslija, Trainerin

Trainerlizenzen und kaufmännisches Know-How: Check. Nun ging es darum, Aufträge zu bekommen. Yasmin telefonierte alle Bekannten aus der Branche durch. Kurz darauf hatte sie sich ihren eigenen Arbeitsplan zusammengestellt: Fit Fight, Gerätetraining im Studio, Kampfsport, Ausdauertraining, Workout für überarbeitete Büroleute, Sportkurse in der Nachmittagsbetreuung einer Grundschule: „Die ersten drei Jahre hatte ich zwar keinen Urlaub, aber ich war der glücklichste Mensch der Welt!“ Yasmins Label „SelfDefense“ hat schon nach kurzer Zeit Erfolg.

Mittlerweile steht hinter „SelfDefense“ nicht mehr nur Yasmin, sondern auch Marcel Jankowski (25), ein ehemaliger Trainingspartner von ihr. Mit weiteren Trainern ist sie im Gespräch. Sie selbst hat nebenbei wieder angefangen zu studieren: Sport und Sozialwissenschaften auf Lehramt. In der Arbeit an der Grundschule geht sie auf: „Für mich ist das eine große Party mit den Kleinen.“ Doch auch, wenn sie später einmal als Lehrerin tätig sein wird, will sie die Freiheiten, die sie als „SelfDefense“-Trainerin hat, nicht mehr aufgeben: „Aus der Freiberuflichkeit kriegt mich keiner mehr weg.“

Generation Selbstbestimmung

Was erwarten wir vom Job? Spaß, Freiheit, Geld, Sicherheit? Immer mehr Studenten und Absolventen legen Wert darauf, im Beruf ihre eigenen Ideen umsetzen und sich kreativ austoben zu können. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2011 steigt die Lebenszufriedenheit mit dem Grad der Autonomie am Arbeitsplatz. Je autonomer die Arbeit, desto flexibler ist auch die Zeiteinteilung. Im Gegensatz zu vor einigen Jahren ist Work-Life-Balance heute angesagter denn je. Kreativität statt Langeweile, Abenteuer statt Routine – der Wunsch nach Selbstverwirklichung ist für manche Berufseinsteiger sogar wichtiger als ein festes Gehalt oder Sicherheit.

Viele junge Menschen machen sich deshalb mit einer Geschäftsidee selbstständig: Ob im gastronomischen Bereich oder als Personaltrainer, als Mode- oder Produktdesigner, als Blogger oder Filmregisseur – dass der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind, nehmen viele Studis mittlerweile wörtlich. Digitale Geschäftsideen stehen hoch im Kurs, ebenso Labels, die auf Nachhaltigkeit setzen. Doch auch die Klassiker der Freiberuflichkeit – Gastronomie und Sport – sind nach wie vor dabei.

Besonders in Hamburg gibt es – trotz hoher Mieten für Räumlichkeiten – viele Start-Up-Gründungen. Als Groß- und Universitätsstadt treffen kreative Köpfe hier auf gleichgesinnte Start-Up-Partner und experimentierfreudige Kunden. Ein motiviertes Team, eine kreative Idee, ein begeisterungsfähiges Publikum – es braucht nicht viel, um als Jungunternehmer durchzustarten. Die Arbeitswelt erscheint jungen Freiberuflern oft nicht mehr primär als Ort zum Geldverdienen, sondern als Raum, in dem sie sich ausleben können. „Ich habe manchmal sogar ein schlechtes Gewissen, dass ich Geld für etwas nehmen muss, was mir total viel Spaß macht“, lacht Yasmin.

Nichts anbrennen lassen

Doch so schön ein flexibler, abwechslungsreicher Arbeitsalltag sein kann, so anstrengend ist der Anfang: Das haben Nele Wittler (25) und Julia Rauland (31) selbst gemerkt, als sie das Café Nasch im Gängeviertel gründeten. Seit März bieten sie hier veganes Essen an. Julia ist eigentlich Politikwissenschaftlerin. Vor einigen Jahren brach sie jedoch ihre Promotion ab und verbrachte die Tage mit ihrem Lieblingshobby: Kochen und Backen. Zunächst jobbte sie und engagierte sich im Gängeviertel. Dort lernte sie Nele kennen, die ihre Leidenschaft für kreative Rezepte teilt.

„Jeden Mittag ist hier die Bude voll“, sagt Julia. „Wir haben das Glück, dass wir durch die Anbindung ans Gängeviertel und die umliegenden Büros eine hohe Nachfrage haben.“ Jeden Tag kreiert eine der beiden Mädels den Mittagstisch, die andere verkauft am Tresen Kaffee, Wraps, Paninis, Quiche und Cookies. Das Essen kommt gut an, denn in Hamburg interessieren sich immer mehr Menschen für den veganen Lebensstil. Vegane Restaurants sind bisher allerdings noch rar – ein Vorteil für das Café Nasch. „Wir kommen mit der Welle“, sagt Nele, die ihr Ökotrophologie-Studium auf Eis legte, um diese „einmalige Chance zu nutzen.“

„Es ist wirklich anstrengend, aber da haben wir uns vorher keine Illusionen gemacht. Trotzdem ist es großartig, sein eigener Chef zu sein!" Julia Rauland, Café-Gründerin

Innerhalb von sechs Wochen richteten die Jung-Gastronominnen ihr Café ein: Die Stühle, Tische und Sofas stammen zum Teil von den Dachböden ihrer Familien. Das Treibholz an der Decke sammelten sie eigenhändig am Elbstrand. Die Bilder an den Wänden steuerten befreundete Künstler aus dem Gängeviertel bei. Das Klavier konnten sie über Ebay ergattern. Julia und Nele sind stolz auf das, was sie geschaffen haben. Das hilft auch über den Stress hinweg, den ein eigener Cafébetrieb mit sich bringt. „Meistens stehen wir von neun bis zwanzig Uhr im Café. Am Anfang sogar sieben Tage die Woche“, so Julia. Mittlerweile konnten sie jedoch zwei Aushilfen einstellen – ein freier Tag die Woche für die Inhaberinnen. „Ich kann mir mittlerweile tatsächlich trotzdem nichts anderes mehr vorstellen. Man trägt als sein eigener Chef zwar eine viel größere Verantwortung und muss alle Probleme selbst lösen, aber das fühlt sich trotzdem weniger nach Arbeit an.“

Den Sprung ins kalte Wasser wagen

Worauf habe ich wirklich Bock? Es ist nicht immer einfach, sich beruflich selbst zu verwirklichen. Diffuse Ängste, ob man von einem Start-Up leben könne oder der Umfang an Arbeit und Zeit, die investiert werden muss, lassen viele zurückschrecken. Nicht selten fehlen besonders Studis, deren Fähigkeiten im kreativen Bereich liegen, die kaufmännischen Skills und sie fühlen sich mit der Bürokratie am Anfang einer Existenzgründung überfordert. „Es ist natürlich ein Wagnis“, weiß auch Julia. „Man muss wohl den richtigen Riecher haben, was an einem Ort gerade klappen könnte und dann einfach mutig sein und loslegen!“

Nele und Julia haben viele Bekannte, die sich ebenfalls selbstständig gemacht haben. „Alle in meinem Umkreis verwirklichen sich auf die eine oder andere Art selbst. So hatten wir nicht nur viele positive Beispiele, sondern auch viel Unterstützung und Tipps aus der Erfahrung“, so Nele. Existenzängste habe sie nicht, auch wenn sie nicht weiß, ob sie ihr Leben lang im Café stehen möchte. „Ich vertrau darauf, dass es schon irgendwie funktionieren wird. Und wenn es schief geht, dann ist das eben so. Mir ist es wert, dieses Risiko einzugehen.“ Das Wichtigste seien Mut und Energie, eine Idee in die Tat umzusetzen und dabei zu bleiben, auch wenn es mal schwierig ist. Praktische Tipps, wie man eine Existenzgründung bewältigt, gibt es bei der Handelskammer oder der Hamburg Kreativ Gesellschaft. Letztere bietet auch Coachings und Workshops an.

Chancenstadt Hamburg

Selbstverwirklichung fängt in der Freizeit an. Schauspiel, Film, Musik, Medien oder Design – wer ein kreatives Hobby hat, geht oft vollkommen darin auf. Ein Ausgleich neben dem Job oder Studium ist elementar für unser Lebensglück. Doch es muss nicht bei der Freizeitbeschäftigung bleiben. Ein kreatives Hobby zum Beruf zu machen, bedeutet für manche Studis Selbstverwirklichung schlechthin. Gerade in Hamburg stehen die Chancen von jungen Kreativen gut: Ob in der Medienbranche oder auf Musicalbühnen, hier sind Talente gefragt.  Auch die Nachwuchsförderung kommt nicht zu kurz. Medienakademien und Schauspielschulen bieten nicht nur fundierte Ausbildungsgänge, sondern auch Workshops und Seminare an.

Die Mediengestalter Jorn Schumann (25) und Lukas Sterly (23) haben den Sprung ins kalte Wasser daher gewagt. Nach ihrer Ausbildung hatten sie zwar keine Erfahrung im Filmbusiness, waren aber hoch motiviert, voll durchzustarten: An Lukas WG-Küchentisch wurde die „kitchentable.filmproduktion“ gegründet. Ihr erster Film war ein Image-Film über einen Campingplatz. Ein Bekannter hatte den Kontakt vermittelt. „Ohne Kontakte geht in der total übersättigten Film- und Werbebranche gar nichts“, waren sich die Jungs bewusst und versuchten, sich nach und nach ein Kontaktnetz zu spinnen. Lukas und Jorn hielten Augen und Ohren offen und zogen immer mehr Aufträge an Land: Einen Film über das Festival „Rocken am Brocken“ drehen, Videomaterial einer Bandtour schneiden, Imagefilme über Autohauswerkstätten, Parkourhallen und Onlinesecondhand-Buchhändler produzieren – am Ende des ersten Jahres nach der Firmengründung stellten die Jungs fest, dass sie doch mehr zu tun hatten, als sie im Vorwege erwartet hätten.

„Wir hatten ja nichts zu verlieren. In kreativen Berufen ist es eh schwer, eine feste Stelle zu bekommen. Warum also nicht einfach einmal etwas ausprobieren?“, Jorn Schumann, Unternehmensgrüner

„Eigentlich ist das sehr spannend, dass vieles in der Schwebe ist und man nie weiß, was kommt, aber auf die Dauer kann dieser Zustand auch anstrengend werden“, sagt Lukas. Trotzdem ist er froh, für „kitchentable“ zu arbeiten: „Hier fließt alles ein, was mir Spaß macht und das finde ich sehr wichtig. Denn wenn die Arbeit Spaß macht, ist das Resultat einfach besser!“ Privat holt Lukas allerdings kaum noch die Kamera heraus. Für ihn gehört das Filmen nun ganz klar zum Job und nach einem 18-Stunden-Drehtag und durcharbeiteten Nächsten ist er froh, wenn er die Kamera nicht mehr in der Hand hält. Den Spaß am Filmen hat er trotzdem nicht verloren. Bislang haben die beiden Filmemacher durchweg positives Feedback bekommen. Für die Zukunft haben sie beschlossen, sich eher auf Sportvideos zu fokussieren. „Uns gefällt alles, bei dem man kreativ um die Ecke denken kann“, so Lukas. „Wir wollen visuell etwas Neues erzählen.“

Macht Euer Ding – es lohnt sich!

Kung-Fu, Gastronomie, Film, Performance – der Trend zur Selbstbestimmung erfindet sich immer wieder neu. Geleitet wird dieser Trend von den Träumen heutiger Studis. Und Ihr könnt das auch! Mit coolen Ideen ist es für jeden möglich den Markt aufmischen. Traut Euch! Später erzählt Ihr dann Eure eigene Story von Spaß und Energie, Zweifel und Erfolg. Eine Story von einer einmaligen Zeit. Und dann könnt Ihr hoffentlich bald sagen: „Für mich geht gerade ein Traum in Erfüllung!“

Von Anna Weßling

Foto: Carsten Schulz

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