Das sind die 25 heißesten jungen Unternehmen aus Deutschland“, titelte horizont.net. Ich klickte den Artikel an und sah vor allem: Männer. Gerade mal zwei Unternehmen in der Liste wurden von Frauen gegründet. In zwei weiteren Firmen war zumindest eine Frau in den Gründerteams dabei.
Der Deutsche Startup Monitor bestätigt diesen Eindruck: 2015 wurden nur 13 Prozent der Startups von Frauen gegründet. Und doch sollte man die Frauen nicht unterschätzen. Wenn man alle Selbstständigen mit einbezieht, also auch die Freiberufler, die Handwerksbetriebe, die Cafés und all die kleinen und großen realisierten Träume, sind 43 Prozent der deutschen Gründer weiblich. Wir haben mit fünf Powerfrauen gesprochen, die beweisen: Da geht was!
FRAUEN WERDEN NICHT ERNST GENOMMEN
„Frauen gründen anders als Männer“, sagt Melanie Schütze (31), Gründerin des Frauennetzwerks Alsterloge. „Sie entwickeln seltener Apps oder Techie-Startups, aber das macht sie nicht zu schlechteren Unternehmerinnen.“ Melanie ist genervt davon, wie weibliche Gründungen in Deutschland belächelt und nur die männlichen Start-Ups gehypt werden. „Das macht mich wütend.
Die Frau, die ein Café eröffnet, hat ein viel höheres finanzielles Risiko als der Typ, der eine neue App entwickelt. Und trotzdem sagen alle: Krass, eine App, und bewundern den Kerl. Bei der Frau hingegen heißt es: Ein Café, wie niedlich.“ Auch Melanie hat erfahren, wie es ist, als Frau nicht für voll genommen zu werden. Vor zwei Jahren gründete sie gemeinsam mit ihrem Freund die Kommunikations- und Event-Agentur Schwarmverhalten, allein startete sie dann zusätzlich das Frauennetzwerk Alsterloge.
„Alle sind grundsätzlich davon ausgegangen, dass sie mir alles erklären müssen und ich garantiert etwas Wichtiges nicht bedacht habe“, erzählt sie. „Man hat eigentlich immer das Gefühl, dass man nicht ernst genommen wird. Das nervt.“
WENN DIE KOOPERATIONSPARTNER 20 JAHRE ÄLTER SIND
Maria Alberti (26) und Leslie Angermann (27) von Urban Foodie sind gespannt, wie es bei ihnen laufen wird. Im Eckhaus Großer Burstah 1, zwischen Rathaus und Rödingsmarkt, haben sie ihr Deli im September offiziell eröffnet, den Testlauf gab es schon drei Wochen vorher. „Wir haben einfach die Tür aufgemacht und geschaut, was passiert“, erzählt Maria. „Dafür sind wir ganz zufrieden.“
Sie haben ein Konzept entwickelt, bei dem gesundes Essen ohne Zusatzstoffe im Mittelpunkt steht. Es gibt die Kategorien Slim, Sporty, Vegan und Urban. Slim steht für besonders kalorienarmes Essen, Sporty für besonders eiweißreiche Gerichte mit guten Kohlenhydraten, Vegan erklärt sich von selbst und Urban sind die Klassiker wie Caesar Salad oder Pastrami-Sandwiches, die von den Food-Trends aus New York und London inspiriert sind. Außerdem gibt es selbstgemachte Limonaden und Desserts. Ein wunderschöner Laden für die Generation Hipster und ein Freundinnen-Traum, der wahr wird. Doch das war nicht einfach. „Zuerst waren wir unsicher und schüchtern. Mit 24 und 25, direkt nach dem Studium, mussten wir plötzlich mit potenziellen Kooperationspartnern verhandeln, die mindestens 20 Jahre älter waren. Das war eine Herausforderung. Aber wir sind authentisch geblieben und beide an den Erfahrungen gewachsen. Inzwischen sind wir viel tougher und selbstbewusster.“ Die Vorurteile spüren sie aber immer noch. „Einige Verhandlungspartner denken wohl: Ach, die jungen Mädels. Doch wenn sie merken, dass wir wissen, was wir tun und was wir wollen, werden wir auch ernst genommen.“
den Gründungszuschuss bewilligt und baute ihre Firma „Alles von Hand“ auf. „Natürlich gibt es Phasen, in denen es nicht so gut läuft. Die ersten ein, zwei Jahre habe ich nichts verdient, aber auch kein Minus gemacht. Von da an lief es richtig gut. Anfang 2016 gab es dann eine Durststrecke und meine Mitarbeiterinnen mussten Kurzarbeit ertragen. Da hatte ich wirklich Angst. Seit Juni hat sich das glücklicherweise wieder komplett gedreht und wir haben gut zu tun!“
DIE KLEINE KANN MAN ÜBER DEN TISCH ZIEHEN – ODER?
Ähnliches hat auch Anna Bräuninger (31) erlebt. Sie ist als Raumausstatterin seit 2010 selbstständig, inzwischen mit drei Angestellten. „In meiner Anfangsphase war es besonders krass. Vertreter, bei denen ich Ware einkaufte, meinten, mich über den Tisch ziehen zu können. Ich habe durch den Austausch mit Branchenkollegen erfahren, dass andere viel weniger für die gleiche Ware zahlen“, erzählt sie. „Dann habe ich den Vertretern klar gesagt, dass es so nicht geht. Und dass ich eine höhere Rabatt-Einstufung will. Prompt war fast alles möglich.“ Polstern und Restauration, Fensterdekoration, Licht- und Sonnenschutz – das ist Annas Metier. Sie hat ihr Unternehmen gestartet, als ihre Festanstellung endete und sie keine Perspektive auf einen neuen Job hatte. Als Alternative blieb ihr Arbeitslosigkeit oder Selbstständigkeit. Also wagte sie mit gerade mal 24 Jahren den Schritt, bekam
ANDEREN FRAUEN DEN WEG EBNEN
Julia Kremer (27), die als Kreativ-Konzepterin und „SchönWild"-Bloggerin arbeitet, sieht potentielle Schwierigkeiten für Gründer-Frauen positiv: „Wenn man als Frau unterschätzt wird und es trotzdem durchzieht, kann man anderen den Weg ebnen. Denn wenn Frauen sich jetzt beweisen, haben es die nächsten Gründerinnen schon etwas leichter. Das sehe ich an meiner 14 Jahre jüngeren Schwester. Sie ist mit 13 schon weiter als ich zu diesem Zeitpunkt. Das bedeutet, dass sie in meinem Alter womöglich schon ganz andere Sachen auf die Beine gestellt haben könnte.
Sie sagt mir oft, dass ich ihr Vorbild bin und für mich gibt es kaum eine schönere Vorstellung, als mit ihr in ein paar Jahren zusammen zu gründen.“ Julia studierte erst Germanistik und Geschichte in Düsseldorf und absolvierte dann ein Duales Studium der Kreativ Konzeption bei Jung von Matt. Zudem startete sie vor vier Jahren ihren Blog und organisierte Start-Up-Events in Hamburg. Nach dem Studium machte sie sich sofort selbstständig, statt nach einer Festanstellung zu suchen.
„Ich liebe es frei zu sein und selbst darüber entscheiden zu können, wann ich wo bin und welche Arbeit ich wann erledige“, erzählt Julia. „Zu Beginn der Selbstständigkeit stresst es, zu recherchieren, welche Behörde für was zuständig ist. Hat man aber den ersten Schritt gewagt, gibt es kein besseres Gefühl.“ Seit April 2016 rockt sie also die Kreativ-Branche, Blog und Konzeptions-Jobs bringen ihr genug Geld zum Leben und Träume verwirklichen.
Nebenbei arbeitet sie als Plus Size Model. „Jeder Tag ist anders. Ich brauche das. Heute Hamburg, morgen München und übernächste Woche Köln oder Berlin. Die Welt ist mein Office – solange ich Internet habe.“
Text: Anna Brüning
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