„Hell no!“ Diesen ersten Gedanken, den ich hatte, als ich von dem Raw Food Café am Mühlenkamp hörte, möchte ich hiermit offiziell zurücknehmen. „Schuld“ daran ist Kerstin Stave. Denn bei meinem Abstecher in ihr Gracias Madre habe ich gemerkt, dass Clean Food nicht fies besserwisserisch, sondern auch völlig entspannt und vor allem lecker sein kann. Wie das funktioniert? Mit einer großen Portion Überzeugung, aber eben auch mit der gewissen Prise Toleranz.

„Essen soll Spaß machen“, sagt Kerstin nämlich. Die frühere Aufnahmeleiterin hat sich gegen ihren Job beim Film und für ihre Raw Food Leidenschaft entschieden und bietet dieses Konzept nun in ihrem Laden in Winterhude an. Alle Zutaten sind hier frisch und nahezu unverarbeitet. So bleiben viele Vitamine und Mineralstoffe erhalten, die sonst beim Kochen oder Backen verloren gehen würden.

Kerstin selbst ernährt sich zu etwa 80 Prozent raw. Sie selbst ist offen und will niemandem etwas diktieren: „Es gibt ja Leute, die das super strikt machen, ich finde das muss jeder für sich entscheiden. Essen ist Privatsache, da soll einem keiner reinquatschen!“

Während sie mir den georderten Cheesecake auftischt, erzählt sie mir von ihrer Raw Food Ausbildung in den Staaten. Hier hat sie spezielles Wissen und Techniken der Raw Food Küche erlernt. Die süßen Sachen sind im Gracias Madre übrigens der Dauerbrenner, ebenso die Bowls mit püriertem Fruchtmousse. Ich staune nicht schlecht, als ich mir den Kuchen gönne: Der schmeckt fantastisch! Keine Spur von staubiger Trockenheit oder ödem Milchersatz-Geschmack!

Schnell lasse ich meinen Blick auf die mit Kreide geschriebene Karte schweifen: Hier gibt es unter anderem auch Buchweizen Porridge mit Aprikose und Cashewsahne für 5,50 Euro zum Frühstück – oder Flatbread Pizza für 11 Euro und Spaghetti con Ragou für 9,50 Euro zum Lunch. Ich bin erstaunt: Die Preise hätte ich mir wesentlich happiger vorgestellt. Die Getränkeauswahl ist übersichtlich: Matcha Tee für 4,50 Euro oder als Latte für 6,50 Euro, ausgewählte Kaffee- und Tee-Sorten, Wasser und die Hamburger Gurkenlimo Cucumis: that’s all! Finde ich konsequent und gefällt mir!

Statt noch mehr rohe Kost zu probieren, komme ich mit Kerstin ins Gespräch und wir schnacken über den Look des Ladens. Das Interieur ist nicht zufällig zusammen gewürfelt, sondern es gibt zu jedem Teil eine Geschichte. Die Einrichtung ist mir übrigens sofort positiv aufgefallen: Schön unkompliziert und zurückgenommen. Kein Öko-Trash oder Hippness-Overload, sondern ge- schmackvoll und dezent. Spiegelt also ganz die Idee des Gracias Madre wider.

Ich weiß, Raw Food ist nicht jedermanns Sache! Muss es auch nicht. Allen Raw Food Genießern oder Experimentierfreudigen würde ich das Gracias Madre von Kerstin trotzdem empfehlen.

Gracias Madre Raw Food Mühlenkamp 1 (Winterhude), Ö: Di-Fr 11-18 h, Sa 11-16 h, So 11-18 h, Mo geschlossen