Als ich vor über vier Jahren nach Hamburg gezogen bin, wollte ich so wie jeder Neuankömmling in den beliebten Stadtteilen wie Eimsbüttel, Ottensen oder in der Schanze heimisch werden. Doch schnell merkte ich, wie mühselig die Wohnungssuche in Hamburg ist und wie unverschämt hoch die Mieten in den In-Vierteln sind. In Eimsbüttel zahlt man pro Quadratmeter durchschnittlich schlappe 13,80 Euro, Ottensen schlägt mit 14,30 Euro pro Quadratmeter zu Buche und die Schanze ist mit 14,60 Euro pro Quadratmeter Spitzenreiter – Tendenz immer weiter steigend. Der Hamburger Osten ist da preiswerter. In Hamm liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis noch bei 10,90 Euro.
Bei meiner Wohnungssuche hatte ich Hamm zunächst nicht auf dem Schirm. Hier ist es ruhiger und weniger überlaufen. Die Leute sind bodenständiger – das mag ich sehr. Möchtegern-Hipster, wie ihr sie zuhauf im Karoviertel seht, sucht ihr hier vergeblich. Ebenso wie die schicken Latte Macchiato-Mütter, die im Rudel mit ihren Luxus-Kinderwagen den Mühlenkamp in Winterhude verstopfen. Ein weiterer Pluspunkt? Die zentrumsnahe Lage meines Viertels. Hamm ist wahnsinnig gut an die Innenstadt angebunden. Zum Jungfernstieg brauche ich nur zehn Minuten mit der Bahn. Auch zur Uni ist es nicht weit und die HAW am Berliner Tor ist nur einen Katzensprung entfernt. Wer zur HafenCity Uni muss, kann dank der U4 durchfahren. Zu guter letzt muss ich die gute Autobahnanbindung Richtung Ostsee loben. Je nach Tag, Uhrzeit und Verkehrslage schafft man es in einer Stunde zum Meer.
- „Hamm ist das Eimsbüttel 2.0“
Das Freizeitangebot in Hamm ist (noch) recht überschaubar, entwickelt sich aber stetig weiter. Die „grüne Seele“ des Viertels ist der Hammer Park, eine der ältesten Parkanlagen Hamburgs. Ob zum Spazierengehen, Grillen, Picknicken am Ententeich, Minigolf oder Tischtennis spielen – hier trifft sich gerade im Sommer gefühlt ganz Hamm. Samstagmorgens könnt ihr auch auf Anika Ludszuweit stoßen. Die junge Lehrerin gibt seit letztem Jahr im Park offene Yogastunden auf Trinkgeldbasis. Jeder Teilnehmer bezahlt also so viel, wie er geben mag. „Ich habe die Nachbarschaft mit Flyern zugepflastert und war überrascht, wie gut das aufgenommen wurde“, berichtet die 26-Jährige, die ihre Yogakurse unter dem Motto Panda Yoga gibt und selbst in Hamm lebt.
Anika Ludszuweit gibt offene Yogastunden im Hammer Park
Während der kalten Jahreszeit und bei schlechtem Wetter verlegt Anika ihre Stunde in das Therapiezentrum Hasselbrook am Hammer Steindamm. „Der Stadtteil ist toll – wir haben hier eine richtige Nachbarschaft und ich habe nicht das Gefühl, in einer Großstadt zu leben.“ Statt im Klassenzimmer zu unterrichten, möchte Anika ihre Leidenschaft zu Yoga gerne hauptberuflich ausüben und ein eigenes Studio in Hamm eröffnen.
Nicht weit vom Hammer Park befindet sich die Malbucht, in der ihr allerhand Keramik bepinseln könnt. Im Herbst 2017 eröffneten Det und Kerstin Martens ihr Malstudio. Da es im Westen und Norden der Stadt bereits einige Angebote gibt, entschied sich das Paar bewusst für den Hamburger Osten. „Hamm ist ein toller Stadtteil, der verkannt ist. Das Viertel ist total grün mit dem Hammer Park und der Nähe zur Bille“, findet Det, der 30 Jahre lang als ITler gearbeitet hat, ehe er sich mit seiner Malbucht selbstständig machte. Die Auswahl der Rohlinge, die ihr bemalen, bestempeln oder bekleben könnt, ist groß: So könnt ihr aus Tellern, Schüsseln, Bechern, Dosen, Vasen und Eierbechern bis hin zu Sparschweinen wählen.
In der Malbucht könnt ihr euch kreativ austoben!
„Mehr und mehr junge Leute und Familien ziehen hierher. Hamm ist für mich das Eimsbüttel 2.0.“, so der Familienvater aus Bergedorf. Das Potential des Ostens hat auch die Stadt entdeckt. Im Süden Hamms wird das neue Wohnquartier „Osterbrookhöfe“ mit mehr als 800 Wohnungen errichtet. Der Bau gehört zu einem Großprojekt, das eine umfassende moderne Stadtentwicklung des Ostens vorsieht.
- Hamm ist familiär
Rund um den Hammer Steindamm und den S-Bahnhof Hasselbrook befindet sich das überschaubare Zentrum des Viertels, wo ihr richtige Shopping-Perlen entdecken könnt. In den beiden Concept Stores Moin Frida und Just In findet ihr hübsche Wohnaccessoires, Mode im skandinavischen Stil und filigranen Schmuck. Inhaberin Kirsten Moosmüller verkaufte vorher Mode für ältere Frauen. „Der Stadtteil ist extrem jung geworden, daher haben wir unsere Ladenkonzepte angepasst. Unsere Fashion- und Living Produkte sind farblich aufeinander abgestimmt und wir laden regelmäßig zum Late Night Shopping ein. Auch ein Cocktailabend mit dem Spirituosenhersteller Hamburger Gold soll bald stattfinden.“
Inhaberin Kirsten Moosmüller (2.v.r.) führt zwei Concept Stores in der Caspar-Voght-Straße.
Märchenhafte, farbenfrohe und maritime Mode findet ihr im Laden Bei Frau Fadenrot, den Designerin Anka Carls im Herbst 2019 eröffnete. „Wir waren eher Laden-Nomaden. Hier mal ein Pop-up-Store, da mal eine Sommergalerie und unterwegs mit unserem Fashiontruck“, so Anka, die seit 18 Jahren in Hamm lebt. „Die Kunden jedoch verlangten nach einer festen Anlaufstelle und ich wollte nach vielen Jahren auch ein Zuhause anbieten.“ In die Schanze, ins Karoviertel oder nach Eimsbüttel zu gehen, kam für die kreative Macherin nie infrage. „Ich wollte in meinem Kiez bleiben. Hier habe ich die Zeit auf einen Kaffee und Schwatz mit den Kunden!“
Anka Carls verkauft ihre eigene entworfene Mode im Laden Bei Frau Fadenrot.
Das gemeinschaftliche Miteinander pflegt auch das Coworking Space Stadtveränderer, das 2012 von der Architektin Dorothea Pieper sowie der Autorin Anne Albers-Dahnkegegründet wurde. Getreu ihrem Namen setzt sich die Bürogemeinschaft für soziales, kulturelles und christliches Engagement in Hamm ein. „Wir stellen unser Coworking Space sozialen Einrichtungen zur Verfügung“, erzählt Anne. So finden in dem Loft im Industrial Look Veranstaltungen wie ein „Welcome Dinner“ für Flüchtlinge oder Treffen der Hammer Bürgerinitiative statt. „Coworking Spaces sind im Osten noch rar gesät, aber wir möchten dazu beitragen, dass Kreative den Stadtteil für sich entdecken und sichtbarer werden. In Hamm ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.“
Dorothea Pieper, Anne Albers- Dahnke und Detlef Pieper fördern die kreative Szene in Hamm.
- Locationcheck:
Habt ihr Lust bekommen, Hamm einen Besuch abzustatten? Dann empfehlen wir euch folgende Perlen, bei denen ihr unbedingt einmal vorbeischauen solltet.
Sprechwerk
Ohne Drehbuch, ohne Requisiten, ohne Regisseur – im April und Mai entert die Hamburger Improvisationstheatergruppe Die Zuckerschweine die Bühne des Sprechwerks. Klaus-Groth-Str. 23, ab 9 €
HT16
Anfang 2020 hat das Hammer Kultur- und Sportzentrum HT16 eröffnet. Das Highlight ist die 500qm große Kletterhalle, in der ihr Seilklettern oder Bouldern ausprobieren könnt. Sievekingdamm 1, ab 6 € erm.
Hammer Park
Ab Mai verlegt Anika ihre Panda Yoga-Stunden nach draußen in den Park, der auch zum Spazieren, Grillen, Minigolf oder Tischtennis spielen einlädt. Sa 8:30-9:45 h, 10-11:30 h
Fabrik der Künste
Vom 20. April bis 2. Mai zeigen die besten Cartoonisten der Stadt bei der Gruppenausstellung „Hamburger Strich“ ihre Werke in der Fabrik der Künste. Kreuzbrook 10
Die Malbucht
asst eurer Kreativität freien Lauf und bemalt Keramikrohlinge wie Tassen, Schüsseln oder Vasen. Mi-Fr 14-19 h, Sa-So 11-18 h, Caspar-Voght-Str. 44
Moin Frida & Just In
Bummelt durch die beiden Concept Stores und findet schöne Schätze für euren Kleiderschrank und eure Wohnung. Caspar-Voght-Str. 94
Bei Frau Fadenrot
In dem liebevoll eingerichteten Shop bekommt ihr Accessoires, Schmuck und maritime Mode. Marienthaler Str. 163a
Stadtveränderer
Nach Feierabend bietet euch das Coworking Space Raum für eigene Projekte, Hammer Steindamm 62
Text: Kristina Regentrop
Fotos: privat (5), Carls (2), endlichbilder (1)
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