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News aus Hamburg
ESSEN MIT 16/8

Happy und healthy mit Intervallfasten

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Statt Schnelldiäten soll Intervallfasten jedoch für wahre Wunder sorgen. Unter anderem schwört der Mediziner und Komiker Dr. Eckart von Hirschhausen auf diese Art der Gewichtsreduzierung. Und nicht nur der Körper profitiert angeblich von dem Nahrungsentzug, sondern auch der Geist. Mehr Konzentration, Fokussierung und klare Struktur im Mindset gehören zu den positiven Auswirkungen. Unser Autor Constantin Jacob hat sich freiwillig auf eine Testwoche eingelassen, die den Körper auf Reset setzt und einen neuen Blickwinkel auf unsere Essgewohnheiten wirft.

Es gibt Dinge, die brauchen verdammt gute Argumente, damit sie einen Sinn ergeben. Dazu zählen eine weitere Fortsetzung von „50 Shades of Grey“, ein „Meatfree“-Burger, der nach Fleisch schmeckt, aber in seiner Zusammensetzung weit davon entfernt ist, oder freiwilliger Essensentzug auf Zeit. Alle drei Optionen scheinen für mich auf den ersten Blick absurd. Doch letzteres entpuppt sich unter dem Namen Intervallfasten als aktueller Trend. Und der transportiert ein historisches Konzept aus der Steinzeit in die Gegenwart: Das Jagen und Sammeln dauerte früher Stunden – heute wird es als Fastenzeit interpretiert. Darunter verstehen wir heute die zeitlich begrenzte Essensaufnahme, die meist in der Aufteilung 16/8 erfolgt. Das heißt acht Stunden essen und 16 Stunden verzichten. Im Gegensatz zu den bekannten Diäten, die sich auf das Kalorienzählen stützen oder den Schwerpunkt auf eine bestimmte Ernährungsform legen, ist das Intervallfasten einfacher. Hier wird in der freigegebenen achtstündigen Essensphase keine Einschränkung vorgegeben. Naja, zumindest in der Theorie. Doch die bewusste Beschäftigung mit den Mahlzeiten und die Frage, was macht mich satt, sind der eigentliche Schlüssel zu einem entspannteren Essverhalten ohne Snacking und maßlosem Überfluss.

  • Weniger Essen geht an die Reserven

Die Vorbereitungen auf das Experiment sind überschaubar. Mit der Festlegung wann gegessen werden darf, beginnt die Woche Intervallfasten. Ich entscheide mich für eine Essensphase von 12 bis 20 Uhr und deklariere die restlichen 16 Stunden als Fastenphase. Im Umkehrschluss bedeutet dass, dass ich mich eine Woche lang vom Frühstück verabschiede und das Abendessen für meine Verhältnisse recht zeitig einnehme. Der erste Tag startet also mit einer Tasse Tee statt Kaffee, denn in den Fastenstunden sind Milch und Zucker leider gleichfalls Tabu. Mit dem dampfenden Pott sitze ich also am Tisch und gebe wahrscheinlich ein verlorenes Bild ab. Denn so wirklich überzeugt bin ich noch nicht. Für mich galt das Frühstück immer als wichtigste Mahlzeit des Tages. So wurde es mir zumindest als Kind immer eingebläut.

„Wir Menschen haben uns im Laufe der Evolution an drei Hauptmahlzeiten gewöhnt, früher reichte jedoch eine feste Mahlzeit aus“, erklärt Dr. Matthias Riedl, Ernährungsmediziner und Gründer des medicum Hamburg mit Standorten in Farmsen und am Berliner Tor. „Durch das Weglassen von Mahlzeiten entstehen Hungerphasen, welche der Mensch aufgrund des Überangebots an Nahrung kaum noch kennt – die jedoch notwendig sind. In den verordneten Pausen fährt der Insulinspiegel runter, was zum Fettabbau führt. Ein ständig hoher Spiegel führt dagegen zur Fettzunahme und einer chronischen Verfettung der Leber. Eine Gewichtsreduktion ist somit kaum möglich." Na gut. Weniger essen geht an die Reserven, was bestenfalls zum Abnehmen führt. Doch nachdem ich an Tag 1 meine Gewohnheiten beibehalten und mit Schwarzbrot, Kuchen, Pesto-Nudeln am Abend und zu viel Kaffee 8 Stunden normal gegessen und getrunken habe, spüre ich am Folgetag die Auswirkungen: Das nervöse Gefühl des Minutenzählens zur nächsten Mahlzeit wächst.

Intervallfasten will geplant sein: Unser Autor Constantin darf von 12 bis 20 Uhr essen – am besten eiweißreiche Lebensmittel und viel Gemüse.

  • Die neue Definition von Nervennahrung

Von dem guten Gefühl, dass die Fokussierung gestärkt und die Konzentrationsfähigkeit auf Hochtouren gebracht wird, merke ich nichts. Viel mehr fange ich an, verschiedene Sachen gleichzeitig zu machen und bringe nichts davon zu Ende. Nervös mit leichtem Hang zum blinden Aktionismus. Eigentlich logisch, wenn der Körper keine Mikronährstoffe bekommt, oder? „Nicht zwangsläufig“, gibt Dr. Matthias Riedl zu bedenken. „Wer Intervallfasten in Betracht zieht ohne seine Essgewohnheiten ändern zu wollen, wird unkonzentriert und hat es schwerer, die temporäre Fastenzeit durchzustehen. Ziel ist, dass die Hauptmahlzeiten einen pappsatt machen. Viel Gemüse, viel Eiweiß und eine grundlegende Änderung des Speiseplans sind unerlässlich. Am besten sollten leere Kohlehydrate wie Nudeln oder Brot weggelassen werden. Der Selbstversuch ist ganz leicht: Wie fühle ich mich nach drei Toastscheiben oder drei Eiern?“ Eine gute Frage, die ich an Tag 3 selbstbewusst beantworten kann: Nach drei hartgekochten Eiern dauert es deutlich länger, bis ich wieder ein Hungergefühl verspüre.

Wer sich auf die Fastenerfahrung einlässt, verspürt im besten Fall sogar so etwas wie Euphorie und Glücksgefühl. Zumindest sprechen einige Religionen von diesen Zuständen. Tatsache ist, dass der Fastenprozess im Körper einen spannungslösenden Effekt freisetzt. In einer Zeit, in der uns der nächste Instagram-Post und die knackige 140-Zeichen-Line auf Twitter bereits unter Druck setzen, ist das vielleicht ein gutes Werkzeug, um wieder runterzukommen. „Russische Ärzte nutzen das Fasten bereits lange, bevor es das Standing erlangte, das es heute hat,“ sagt Dr. Riedl. Grund ist die  reduzierte Produktion von Serotonintransportern, was eine längere Wirkung des Glücksgefühls und Stärkung des Geistes mit sich bringt. Heißt im Umkehrschluss: Vor der nächsten Prüfung einfach fasten und der Körper offenbart mehr Kraftressourcen für die Nerven.

  • Sport als Anheizer nutzen

Ein neuer Blickwinkel auf den eigenen Teller und ein vorsichtiges Annähern an den essensfreien Vormittag sind geschafft. Den Weg zur Waage nehme ich mit einem kleinen Umweg in Angriff. Für das gute Gefühl und die Beschleunigung des Abnehmens ziehe ich mir meine Sportsachen an und gehe joggen. Um die hohe Relevanz dieser Info einzuordnen: Laufen zählt nicht zu den Dingen, die ich normalerweise freiwillig mache. Die Motivation durch das Fasten fördert aber die Hoffnung, mit etwas zusätzlicher Bewegung den Zeiger auf der Waage nach links zu bewegen. Wenn ich mir schon die Arbeit mache, an der Basis zu schrauben, kann es ja nicht so schwer sein, dem inneren Schweinehund die Laufschuhe anzuziehen. Am Wasser entlang jogge ich für 40 Minuten im entspannten Tempo. Dummerweise beginne ich die spontane Sporteinheit taktisch unklug und verschenke gut eine Stunde Essenszeit. Wer nicht plant, muss eben leiden.

Joggingschuhe an und los: Um den positiven Effekt des Fastens zu verstärken, helfen kleine Sporteinheiten. 

  • Das gute Gefühl stellt sich ein

Mit Tag 5 scheint sich mein Körper auf das fehlende Frühstück eingelassen zu haben. Für ihn ist das eigentliche Mittagessen die erste Mahlzeit des Tages. Es ist also eigentlich alles eine reine Definitionsfrage und Kopfsache. Das Gefühl essen zu müssen, ist nicht da und das Hinfiebern auf die nächste Mahlzeit fehlt auch. Kann es wirklich so einfach sein, seinen Körper auf neue Gewohnheiten umzupolen? „Auf kurze Sicht ist das spontane Intervallfasten kein Problem. Wer sich jedoch auf eine ganzheitliche Umstellung fokussieren will, der sollte mit einer Analyse bei einem Ernährungsberater starten“, empfiehlt Dr. Riedl. „Erst dann ist eine erfolgreiche Umsetzung auf Dauer möglich und bildet die Grundlage einer individuellen Diät.

Was hilft meinem Körper? Worauf kann er verzichten? Hemmen bestimmte Makrostoffe meinen Stoffwechsel? Diese Antworten sind der Unterschied zur reinen Diät. Hier werden keine Kohlsuppen fokussiert oder kohlenhydratfreie Ernährungspläne umgesetzt. Die richtige Mischung zur richtigen Zeit ist der Schlüssel.“ Das ist auch ein Grund, warum der Nahrungsentzug letztendlich gut tut.
 

  • Erfolgreicher mit Plan

Nach einer Woche traue ich mich abschließend auf die Waage. Laut Anzeige haben sich 1,5 Kilo in Luft aufgelöst, gefühlt sind es doppelt so viel. Für mich bestätigt sich dadurch eine grundlegende Theorie: Es müssen keine Kilos in Masse purzeln, sondern auf eine individuelle Weise, die ein gutes Körpergefühl hinterlässt. Ein klarer Kopf, weniger Müdigkeit, aufmerksame Fokussierung und das ausbleibende „Fresskoma“ kann ich nach einer Woche Intervallfasten in mein Fazit einbauen.

Um sich vor Augen zu führen, wie sehr wir Menschen mittlerweile an das Überangebot an Nahrung gewöhnt sind, ist der Versuch des Teilfastens auf jeden Fall ein effektiver Weg. Was bleibt, ist die Neuentdeckung der eigenen Bedürfnisse und eine Neuausrichtung des Essverhaltens, die in einem abgesteckten Zeitraum perfekt funktionieren. Wer sich jedoch mit Freunden gern auf ein Bier oder einen Restaurantbesuch trifft, sollte sich vorher eine gute Strategie und Zeitplanung überlegen. Ich habe mich nach der Testwoche nämlich nicht auf ein üppiges Frühstück gefreut, sondern viel mehr auf ein entspanntes Abendessen unter Freunden ohne Blick auf die Uhr.
 

 

  • Reichhaltiges Infobuffet zum Intervallfasten

So erreichst du mit Intervallfasten die richtigen Erfolge und deine persönlichen Ziele!

Wissen to go
„Health Up Your Life“ Podcast: Die drei Frankfurter Gesundheits- und Lifestyleexperten Dr. Petra Bracht, Mira Flatt und Samira Knott plaudern in ihrem Podcast neben Intervallfasten über Tipps und Übungen, um dein Leben gesünder und glücklicher zu machen. fayo.de/podcast

Lesehunger
„Abnehmen nach dem 20:80-Prinzip“: Dr. Matthias Riedl erläutert in seinem Buch, wie der Jojo-Effekt verhindert und eine Langzeitwirkung erreicht wird, wenn nur 20 Prozent des Essverhaltens angepasst werden.

Digitaler Snack
BodyFast App: Mit motivierenden Worten, Erfolgsdiagrammen und zeitnahen Erinnerungen an die nächste Fastenphase unterstützt die App deinen Plan zum besseren Körpergefühl. bodyfast.de



Text: Constantin Jacob
Fotos: Lamann (4)

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