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RÜCKKEHR DER DYSTOPIEN

Hollywood wird politisch

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Trump pöbelt sich ins US-Präsidentenamt, Erdogan schafft unter dem Jubel seiner Anhänger die Gewaltenteilung ab und weder für den Bürgerkrieg in Syrien noch für andere Auslöser der Flüchtlingskrise ist eine Lösung in Sicht. Kein Wunder, dass sich in der gesamten westlichen Welt Zukunftsängste breit machen. Auch den Regisseuren scheint es so zu gehen – und folglich fallen die futuristischen Szenarios in Filmen zurzeit wieder auffällig düster aus. Deshalb widmen wir uns der Rückkehr der Dystopien und verraten, welche Streifen ihr nicht verpassen dürft!

Die Dystopie ist zurück in der Popkultur. Das ist spätestens klar, seit dem der Roman „1984” von Georg Orwell – der Klassiker unter den negativen Zukunftsvisionen – dieses Jahr wieder in die US-Bestsellerlisten aufgestiegen ist. Ein 1949 veröffentlicher Roman über Totalüberwachung interessiert 2017 wieder eine große Masse von Lesern? Das ist nicht nur crazy, sondern lässt auch tief in die verunsicherte Seele der amerikanischen Gesellschaft blicken. 

Das Interesse an düsteren Zukunftsbildern beschränkt sich dabei keineswegs auf alte Schinken und die US-Bevölkerung. Weltweit feiern Filme wie „Die Tribute von Panem” und „Die Bestimmung” riesige Erfolge. Alle Streifen verbindet das Szenario eines totalitären Systems, gegen das sich Jugendliche mit Gewalt auflehnen. Obwohl es sich jeweils um Adaptionen von Jugendbüchern handelt, sprechen die Filme interessanterweise Zuschauer aus allen Altersklassen an.

Auch die diesjährige „Berlinale" blickte in ihrer Retrospektive unter dem Motto „Future Imperfect. Science-Fiction-Film" auf die Filmgeschichte der Dystopie zurück. Mit dabei war natürlich eine Verfilmung von „1984“. Ein deutliches Zeichen für die Aktualität dieses Phänomens!

Ein Blick auf das Kinojahr 2017 verrät, dass die neue Beliebtheit dystopischer Stoffe kein kurzzeitiger Trend ist. Es geht noch mehr – und auffälligerweise rücken einige Filme nun näher an die Realität heran. Waren die Freiheitskämpfe von Katniss und Co. noch bildgewaltige Actionkracher mit bunten Fantasy-Elementen, rücken einige Filme nun näher an die Realtität heran. 

Zeit für Lebensahe Visionen

Anders ist es etwa bei „The Circle”, der am 14. September in den deutschen Kinos anläuft. Schon als Roman hat Dave Eggers düsterer Ausblick auf die Entwicklung des Internets im Jahr 2014 erfolgreich eingeschlagen. Mit Stars wie Emma „Hermine” Watson, Tom Hanks und John Boyega („Star Wars VII”) im Gepäck kann der Film eigentlich nur durch die Decke gehen.

Worum geht es also? In der nahen Zukunft hat der Internetkonzern „The Circle” alle Geschäftsbereiche von Google, Facebook und Co. zusammengeführt. Jeglicher Privatsphäre wird seitens des Technologie-Riesen der Krieg erklärt: „Alles Private ist Diebstahl", „Teilen ist Heilen” und „Geheimnisse sind Lügen“ lauten die Maxime. Das erinnert nicht zufällig an den Roman „1984”, der jetzt wieder so viel Aufmerksamkeit bekommt.

Damals war es noch der Staat, der als Big Brother propagierte: „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“ und „Unwissenheit ist Stärke“. In „The Circle“ gelangt der Zuschauer an der Seite der engagierten Mae in die Maschinerie des Informations-Monopolisten. Sie heuert dort als Mitarbeiterin an und wird zunehmend indoktriniert. Aber Schritt für Schritt offenbaren sich ihr die Schattenseite der totalen Transparenz...

Genauso nah an der Wirklich ist „VOLT” vom deutschen Regisseur Tarek Ehlail („Chaostage – We Are Punks!“). Sein plausibles Szenario: Deutschland hat seine Grenzen geschlossen. Hinter den Mauern werden tausende Flüchtlinge sich selbst überlassen. Mit absoluter Härte versuchen Polizeitruppen, die aufbegehrenden Menschen in den Transitzonen auf Abstand zu halten. Als Volt (Benno Führmann) einen Flüchtling tötet, bringen seine Schuldgefühle ihn dazu, immer tiefer in die Welt der Slumbewohner einzutauchen. Ehlail verbindet die Probleme gesetzloser No-Go-Areas mit der laufenden Flüchtlingskrise. Die erschreckende, hochaktuelle Vision startete schon am 2. Februar in den Kinos, bald könnt ihr sie auf dem Sofia auf Blu-Ray und DVD genießen. 

Cyborgs und Co.

Mit Filmen über Seelenhacking, globaler Hirnvernetzung, Androiden und Cyborgs erhalten aber auch Dystopien im klassischen Science-Fiction-Gewand ihren Platz im Kinojahr 2017. Seit dem 30. März ist etwa die Adaption des Anime-Klassikers "Ghost in the Shell" mit Scarlett Johansson als Cyborg-Soldat auf der Jagd nach einem Bio-Hacker, der sich Zugriff zu menschlichen Hirnen verschafft hat, zu sehen.

Eine ähnliche Thematik greift die österreichische Produktion  „Mindgamers" auf. Mit Stars wie Sam Neill („Jurassic Park“) und Tom Payne („Der Medicus“) geht es um die Errungenschaft einer Gruppe von jungen Bio-Ingenieuren. Die Wissenschaftler haben es geschafft, menschliche Gehirne mit einem Quantencomputer auf der ganzen Welt zu vernetzen und Fähigkeiten zwischen den Individuen zu übertragen. Was als egalitäres Projekt erschien, wird allerdings zur Gefahr für die ganze Menschheit. Klingt echt spannend.  Ob der relativ unbekannte Regisseur Andrew Goth eine gelungene Lektion über die Zweischneidigkeit großer technologischer Erfindungen abgeiefert hat, seht ihr ab dem 6. April im Kinosessel.

Einer, der schon mehrfach bewiesen hat, dass er sein Handwerk beherrscht, ist der Kanadier Dennis Villeneuve. Sowohl „Arrival“ als auch „Prisoners“ zeichnen sich nicht nur durch eine mitreißende Inszenierung aus, sondern bieten auch Stoff zum Nachdenken. Da lag es fast nahe, sich an die Fortsetzung einer der ganz großen Dystopien der Filmgeschichte zu machen: Ridley Scotts „Blade Runner“ von 1982. Die Geschichte setzt 30 Jahre nach dem Ende des philosophischen Originals ein. Officer K. (Ryan Gosling) sucht nach Rick Deckard (Harrison Ford), denn der Kopfgeldjäger ist verschwunden, nachdem er die entflohenen Replikanten letztendlich eliminiert hat.

Bisher ist wenig über die Story bekannt. Wenn Villeneuve seine Form hält, könnte er sich mit „Blade Runner 2049“ ein Denkmal setzen. Etwas Geduld brauchen wir aber noch: Der Film startet erst am 5. Oktober 2017.

Das dystopische Kinojahr 2017 hat also einiges zu bieten! Unser Tipp bei der ganzen Schwarzmalerei: Damit ihr durch die negativen Vibrations nicht selbst zu hoffnungslosen Pessimisten werdet, empfehlen wir eine vorsichtige Dosierung der vorgestellten Filme. Und immer mal eine Komödie à la „Hot Tube“ oder „Zurück in die Zukunft“ anwerfen, das hilft! 

Text: Sven Husung            

Foto: EuropaCorp (1), Sony Pictures Realising (1)                                                                                                                                                                                                                                         

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