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News aus Hamburg
WOHNEN IN HAMBURG

Keine Bude gefunden? Macht's wie Jana!

Bezahlbarer Wohnraum in Hamburgs Zentrum? Das ist für viele Studenten ein Widerspruch in sich. So weit, so bekannt. Aber was ist die Lösung des Problems? UNISCENE sprach mit Erstsemester-Studenten, fragte den AStA und interviewte die Stadt zu Möglichkeiten und Alternativen.

Kennt Ihr das noch vom Kindergeburtstag? Die Musik läuft und alle bewegen sich in einer Karawane um eine Gruppe von Stühlen. Dann ist es still, jeder hechtet auf einen Platz – bis auf einer, der ist raus! So läuft das Spiel nun mal und ganz ähnliches geschieht auch gerade auf dem Hamburger Wohnungsmarkt: Mit Beginn des neuen Semesters strömen tausende neue Studenten in die Hansestadt.

Alle sind auf der Suche nach einer Wohnung oder einem WG-Zimmer. Zentral soll es sein, mit guter Anbindung zur Uni und vor allem eines: bezahlbar. Und da diese Kombination in Hamburg sehr selten bis nahezu unmöglich ist, herrscht große Aufregung, zuweilen sogar Verzweiflung. Denn die „Musik“ ist schon lange aus, die Stühle besetzt und die Übriggebliebenen hetzen durch die Stadt und suchen nach einem Platz, der vielleicht übersehen wurde und noch frei ist.

„In Hamburg ist preisgünstiger Wohnraum Mangelware", weiß Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des Studierendenwerks Hamburg. „Auf den sind Studierende, vor allem wenn sie die Miete vom BAföG (Höchstsatz: 670 Euro) bezahlen müssen, aber angewiesen." Kein Wunder also, dass es auf dem Wohnungsmarkt gerade zugeht wie in einem Bienenstock. „Das geht jetzt von September bis November so, dann kehrt langsam wieder Ruhe ein“, sagt Simon Ballnath, der als Berater im Infocafé des AStA arbeitet.

Fünf bis zehn Studenten stehen pro Tag an seinem Tresen und schildern ihr Wohnungsproblem. „Viele sind den Tränen nahe, es herrscht echte Verzweiflung“, sagt der 31-Jährige. Vor allem für Studenten von auswärts ist die Situation sehr schwierig. Jedes Mal müssen sie zur Wohnungsbesichtigung einen weiten Weg auf sich nehmen und sich dann gegen 60 und mehr Mitbewerber durchsetzen.

Die Chancen stehen also nicht gerade gut. Um das zu erkennen, muss man nicht Mathematik studieren. Wer kein Zimmer findet, dem bleiben eigentlich nur noch vier Möglichkeiten, wenn die Vorlesungen beginnen. Jeden Tag Pendeln, wenn das überhaupt möglich ist. Bei einem Freund pennen, wenn man denn jemanden in Hamburg kennt. Sich in einem Hotel oder Hostel einmieten, wenn man es sich denn leisten kann. Oder ein Zimmer im Studentenwohnheim beziehen, wenn überhaupt noch eins frei ist. An alle Varianten ist das Wörtchen „wenn“ geknüpft. Optimale Startbedingungen für ein erfolgreiches Studium sehen anders aus.

„Mann, 56, sucht Mitbewohnerin für Einzimmerwohnung“

Auch Jana ist eine der Erstsemester-Studenten, die frisch an der Uni Hamburg eingeschrieben sind. Sie lebt alleine in einer 28 Quadratmeter großen Wohnung in Ottensen für 437 Euro warm und ist dort sehr glücklich. Wie sie das geschafft hat? „Eine Bekannte wohnte dort und hat mich gefragt, ob ich die Wohnung übernehmen möchte.“ Die  Chance konnte sich die 19-Jährige nicht entgehen lassen. Zusammen marschierten die Mädels zum Vermieter – es klappte! In der Orientierungswoche lernt Jana viele ihrer neuen Kommilitonen kennen und merkt jetzt, wie viel Glück sie hatte.

„Wo wohnst Du?“ und „Was zahlst Du?“ sind die wohl meist gestellten Fragen in den aufgeregten Kennenlerngesprächen der Neuankömmlinge. Und fast jeder hat dazu ein paar schräge Storys auf Lager. Von kleinen Zimmern mit Toilette im Wohnzimmer ist da die Rede. Ein anderer Student berichtet von einer besichtigten Wohnung, bei der er das Bad nicht hätte mitbenutzen dürfen. Ein anderer hat merkwürdige WG-Castings über sich ergehen lassen müssen. Fragen wie „Wie oft gehst Du zur Toilette“ wurden mitunter gestellt.

Fraglich, ob man da noch einziehen möchte, wenn man denn überhaupt in den „Recall“ kommt. Auch in den Zeitungen lassen sich kuriose Anzeigen finden wie „Zwei Männer, Ende 50 suchen 20-25-jährige Mitbewohnerin“ oder „Mann, 56, sucht Mitbewohnerin für Einzimmerwohnung“.

Wohnungsbörse Internet

Seriöser geht es da bei Internetseiten ab, die sich auf Studenten beziehungsweise junge Leute spezialisiert haben. „WG-Gesucht.de“ ist europaweit das größte Portal zur Vermittlung von provisionsfreien WG-Zimmern und Mietwohnungen. 2,5 Millionen Anzeigen werden hier jährlich veröffentlicht und von 50 Millionen Besuchern gesehen, die im Durchschnitt 20 bis 39 Jahre alt sind. In Hamburg werden die meisten Angebote in den Stadtteilen Eimsbüttel, St. Pauli, Ottensen und Winterhude aufgegeben.

Die meisten Gesuche sind für Altona, St. Pauli und Eimsbüttel inseriert. Allein in den vergangenen 30 Tagen wurden insgesamt 4462 Angebote in Hamburg auf WG-gesucht.de aufgegeben, an die knapp 100 000 Anfragen gesendet wurden. Und da sind die telefonischen Kontaktaufnahmen noch nicht einmal eingerechnet.

„In beliebten Stadtteilen wie St. Pauli bekommen Inserenten innerhalb weniger Stunden häufig mehr als hundert Anfragen“, weiß Annegret Mülbaier von WG-Gesucht.de. „Deswegen werden viele Anzeigen schon nach kurzer Zeit deaktiviert.“ Die Vermittlung von günstigen WG-Zimmern ist somit meistens schon nach einigen Stunden erfolgreich – vorausgesetzt, man kann sich schnell für einen der zahlreichen Bewerber entscheiden.

Damit man in der Masse der Suchenden nicht untergeht, hat Annegret Mülbaier ein paar Tipps: „Individuelle Nachrichten mit einer persönlichen Note haben eine deutlich höhere Antwortrate. Zum Beispiel können Suchende von einem außergewöhnlichen Hobby berichten, das bei den Bewohnern im Gedächtnis bleibt und gleich einen Anknüpfungspunkt für das Gespräch während der Besichtigung  bietet." Wichtig ist aber auch: „Bleibt immer bei der Wahrheit. Und zeigt Euch beim Besichtigungstermin aktiv und interessiert, indem Ihr Fragen stellt.“

Umdenken statt Rumärgern!

Der Hype um die besten Wohnungen ist aber nicht überall in Hamburg gleich groß. Trotzdem stehen gerade für Neu-Hamburger fast immer nur die angesagten Stadtteile wie das Schanzenviertel oder St. Pauli ganz oben auf der Wunschliste. Viele kennen sich vielleicht noch nicht so gut in der Stadt aus und verlassen sich auf das, was sie gehört haben. Dass die Schanze total cool ist, behauptet ja auch jeder Reiseführer. Ob das so wirklich noch stimmt, lassen wir mal dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass der Run auf einige Stadtteile wesentlich größer ist, als auf andere.

Und hierin verbirgt sich schon ein möglicher Lösungsansatz für dieschwierige Wohnungssuche: „Studenten, die kurzfristig etwas suchen, sollten bereit sein, Kompromisse einzugehen“, meint auch Annegret Mülbaier von WG-Gesucht.de. „Viele Studenten wünschen sich eine Wohngemeinschaft in einem Altbau im In-Viertel in unmittelbarer  Nähe zur Hochschule. Wer bereit ist, sich von dieser hohen Erwartungshaltung zu lösen, kann neue Stadtteile erobern!“

Simon Ballnath vom AStA sieht das ganz ähnlich: „Ich rate verzweifelten Studenten, dass sie ihre Suche in jedem Fall ausweiten sollen. Nehmen wir einfach mal Poppenbüttel – da gibt es zum Beispiel noch viele bezahlbare Wohnungen“, weiß der 31-Jährige. „Der Vorteil ist, dass hier gleichzeitig noch viele Studentenjobs zu vergeben sind. Und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist man ja auch schnell im Zentrum. Bei anderen nicht so beliebten Stadtteilen ist das ganz ähnlich.“

Newcomer Wilhelmsburg

Einer, der sich wunderbar damit arrangiert hat, nicht mitten im Stadtzentrum zu wohnen, ist Jan. Der 26-Jährige lebt in einer Dreier-WG in Wilhelmsburg und ist total zufrieden. „Hier ist es deutlich günstiger als zum Beispiel in der Schanze“, sagt der Soziologie-Student.

Eine Statistik von Immonet beweist das mit aktuellen Zahlen: Während man für eine WG-taugliche Zwei- bis Dreizimmerwohnung in der Sternschanze pro Quadratmeter 13,19 Euro hinblättern muss, zahlt man in Wilhelmsburg 10,84 Euro. Noch drastischer zeigt sich der Unterschied bei Einzimmerwohnungen: 8,87 Euro kostet der Quadratmeter in Wilhelmsburg – in der Schanze ist er mit stolzen 15,39 Euro mehr als sechs Euro teurer.

Besonders für Studenten ist das viel Geld. Pro Quadratmeter und Monat könnte man sich einmal in der Mensa den Bauch vollschlagen oder sich drei Astra in der Kneipe gönnen. Auch andere, auf den ersten Blick vielleicht nicht so attraktive Stadtteile, sind recht günstig und vor allem auch noch verfügbar. In Dulsberg kostet der Quadratmeter in einer WG durchschnittlich 7,43 Euro, in Jenfeld 8,26 Euro und in Fuhlsbüttel 9,47.  Nochmal zum Vergleich: In St. Pauli zahlt man 13,54 Euro und in Altona-Altstadt mittlerweile sogar 15,88 Euro.

Die Rechnung ist damit ganz einfach: Wer dezentral wohnt, spart eine Menge Kohle, die er am Abend oder am Wochenende im Zentrum auf den Kopf hauen kann! Und der öffentliche Nahverkehr ist mit dem Semesterticket eh gratis. Es lohnt sich also allemal, seine Wunschvorstellung von der „perfekten“ Wohnung genauer zu hinterfragen und seine Ansprüche während des Studiums herunter zu schrauben.

Außerdem: Auch in den weniger beliebten Stadtteilen ist nicht zwangsläufig tote Hose – dafür ist Wilhelmsburg das beste Beispiel: „Die Partyszene ist hier erstaunlich gut! Ständig gibt es kleine Festivals und Open-Air-Partys“, weiß Jan aus Erfahrung. „Und es gibt viele nette Läden. Die Tonne ist eine gute Bar und in der Honigfabrik finden regelmäßig Konzerte statt“

Kritisch bleiben und das große Ganze sehen

Na dann ist ja alles in Butter, oder nicht? „Klar finde ich es gut, dass die Stadt für Studenten günstige Alternative schaffen will“, sagt Jan, der im Hinblick auf Nicht-Studenten jedoch seine Bedenken hat. „Ein Problem ist damit aber nicht gelöst – nämlich das der ständig steigenden Mieten!“ Denn abgesehen vom günstigen Wohnen für Studenten konnte der Soziologie-Student auch in Wilhelmsburg einen gegenläufigen und alles andere als schleichenden Prozess in Wilhelmsburg beobachten: „In einigen Straßen haben sich die Mietpreise innerhalb von fünf Jahren verdoppelt.

Jan findet es deshalb wichtig, auch an später zu denken, wenn man kein Student mehr ist. Man kann sich zum Beispiel bei „Recht auf Stadt" (RaS) engagieren, einem Netzwerk aus 56 Hamburger Initiativen, die sich unter anderem für bezahlbaren Wohnraum einsetzen. Außerdem finden in der Stadt regelmäßig Demos statt, die sich „Mietwahnsinn stoppen“ auf die Fahnen schreiben. Es gibt also durchaus Möglichkeiten – auch für Studenten –  aktiv zu werden und seine Meinung kundzutun.

Sich „hochwohnen“

Doch zurück zu den wohnungslosen Studenten: Was passiert im „Notfall“, wenn das Semester beginnt und noch kein Mietvertrag unterschrieben ist? „Mein erster Tipp ist die Kurzzeitmiete“, rät Simon Ballnath vom AStA. Auch wenn es natürlich bequemer wäre, direkt in die endgültige Wohnung zu ziehen, ist die Zwischenmiete eine gute Alternative. Viele Studenten, die zum Beispiel für ein Semester ins Ausland gehen, bessern ihre Kasse auf, in dem sie ihr Zimmer zwischenvermieten. Die Vorteil: Man braucht sich zunächst nicht um die Möbel kümmern und kommt nur mit seinem gepackten Koffer.

Aber was noch viel besser ist: Man schafft sich so eine entspannte Ausgangsposition, um nach einer eigenen Bleibe Ausschau zu halten. Und wenn dann der erste Hype um die freien Zimmer langsam abklingt, dann hält man die Augen und Ohren offen. Denn sehr oft ergibt sich eine Möglichkeit über „connections“, also das gewisse Vitamin B, durch neue Bekannte, Freunde oder Kommilitonen, die den entscheidenden Tipp geben.

So wie es bei Politikstudentin Jana geklappt hat. Wer also flexibel ist und Geduld mitbringt, wohnt so lange von Zwischenmiete zu Zwischenmiete bis er die optimale Wohnung gefunden hat und lernt dabei viele neue Leute kennen. Und das ist doch ein netter Nebeneffekt.

Aber auch die Uni steht ihren Erstsemestern bei der Zimmersuche zur Seite: Als Übergangslösung bietet das Studierendenwerk im Gustav-Radbruch-Haus Last Minute-Zimmer an: Dort können Studierende bei großem Andrang maximal achtmal übernachten, zu einem Preis von 15 Euro pro Nacht und Person. Sollte kein Zimmer frei sein, informiert man sich am besten beim Beratungszentrum Wohnen (Grindelallee 9, 20146 Hamburg) über Möglichkeiten zur Wohnungssuche auf dem privaten Markt, Wohnbörsen im Internet, schwarze Bretter, Zeitungen, andere gemeinnützige Anbieter und Wohnförderprojekte der Stadt Hamburg im Hamburger Süden.

Unser Fazit

Wer sich den Stress und das Gedränge um zentrale, bezahlbare Wohnung sparen möchte, weicht am besten auf andere Stadtteile aus. Am Ende kann es aber nicht die Lösung aller Dinge sein, dass Studenten immer weiter in die Randgebiete abgedrängt werden. Denn sie sind nicht zuletzt der kreative Pulsschlag der Stadt, die den Charme von Hamburg ausmachen und die der Grund dafür sind, dass es hier so lebenswert ist.

Damit das auch so bleibt, wäre es toll, wenn die Stadt auch langfristig noch andere Lösungsansätze im Ärmel hätte als: „Dann zieht doch alle nach Mümmelmannsberg oder Wilhelmsburg!“ Natürlich sind diese Stadtteile günstiger, aber will man da denn als junger, unternehmungslustiger Mensch wohnen? Eben.

Wir sagen: Macht das Beste draus! Erobert Euren öden Stadtteil und lasst ihn zur neuen Schanze werden. Und wenn dann alle hin wollen, seid ihr schon da – bämm! PS: Hamburg ist nicht New York. Aber nur zur Info: Der hippste Stadtteil dort ist gerade „Williamsburg“, draußen in Brooklyn. Um dort hinzukommen, muss man eine halbe Stunde mit dem Zug fahren. Das nur am Rande...

Von Christina Rüschhoff

Foto: istockphoto.com

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