Es gibt das Vorurteil, dass wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden praxisferne Theoretiker sind, die in ihren grauen Uni- Büros brüten und von der freienWirtschaft keine Ahnung haben. Beim ersten Blick in Jans Büro bestätigen sich zumindest die optischen Erwartungen: kaltes Licht, graue Schränke und Tische, lange Flure mit komplizierten Studien auf großen Plakaten. Der „Übertopf“ der Palme, die in der Ecke etwas verloren wirkt, ist eine Plastiktüte aus dem Supermarkt. Alle Klischees erfüllt. Jan selbst allerdings wirkt weder realitätsfern noch wie ein introvertierter Theoretiker.
Fröhlich plaudert er mit Studenten, scherzt mit Kollegen und lacht viel, während er von seinem Job erzählt. An der TUHH – da gab es noch das alte System ohne Bachelor und Master – schrieb Jan, der gebürtiger Hamburger ist, sein Diplom am Institut fü Umwelttechnik und Energiewirtschaft. Immer mit dem Hintergedanken, sich wie fast alle seine Kommilitonen danach einen Job in der freien Wirtschaft zu suchen. Am liebsten im Bereich der regenerativen Energien.
Ein bisschen Respekt hatte er allerdings schon vor der Jobsuche: „Durch viele Freunde habe ich mitbekommen, dass es schwierig ist, in diesem Bereich eine gute Stelle zu finden. Kaum jemand möchte weg aus Hamburg, deshalb sind die interessanten Arbeitgeber völlig überlaufen.“ Für Jan war das Angebot seines Professors daher ein Glücksfall: „Als er mich nach der Diplomarbeit fragte, ob ich am Institut weitermachen will, habe ich nicht lange gezögert.“ Jan begann Anfang 2013 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni zu arbeiten und seine Doktorarbeit zu schreiben.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter – was bedeutet das eigentlich?
Jan ist am Institut im öffentlichen Dienst fest angestellt und wird nach Tarif TV-L E13 bezahlt. Das ist ein ziemlich gutes Gehalt, über 40.000 Euro im Jahr. Studi- Geldsorgen? Kennt er nicht mehr. Mit einem FH-Abschluss gibt es ein paar hundert Euro weniger im Monat. Aber Achtung! Bei den Ausschreibungen ist Vorsicht geboten: Viele wissenschaftliche Mitarbeiter bekommen nur halbe Stellen – entsprechend geringer ist dann auch das Gehalt. Eine halbe Stelle hat allerdings einen Vorteil: Es bleibt mehr Zeit für die Promotion. Denn die rückt bei einer Vollzeit-Anstellung schnell in den Hintergrund. Letztes Jahr, erzählt Jan, habe er nur etwa ein bis zwei Monate effektiv an seiner Doktorarbeit gesessen.
In zwei Jahren will er fertig sein, dann war er insgesamt vier Jahre und zehn Monate am Institut. In der Regel liegen Laufzeiten für Promotionen zwischen drei und fünf Jahren. Kann aber auch mallänger dauern. Post-Docs können nach der Promotion weiterhin als wissenschaftliche Mitarbeiter arbeiten. Beachten sollte man aber, dass diese sogenannten WiMi-Stellen immer befristet sind: Maximal 12 Jahre dürfen es sein, in der Medizin 3 Jahre länger. Dann muss ein Aufstieg in eine neue Stelle im Hochschulbereich erfolgt sein. Oder man wechselt in die freie Wirtschaft!
Die Industrie ist bei Jan von der Uni auch nicht so weit weg, wie einige vielleicht denken: „Es gibt viele kleinere Projekte und Studien, die von Stiftungen, Industrie oder Ministerien bezahlt werden. Bei den Aufträgen, die von der Industrie finanziert sind müssen wir vernünftig abliefern, sodass die Auftraggeber zufrieden sind. Man könnte fast sagen, dass wir Projektingenieure sind. Wir brüten ja nicht vor uns hin und machen das nur für uns, wir arbeiten bereits für Firmen – nur eben hier am Institut.“ Dabei lernt Jan viele Leute aus der Branche kennen, knüpft Kontakte und kann sich schon vor seinem ersten Job in der freien Wirtschaft einen Namen machen.
Neben diesen Projekten und der Promotion ist auch die Lehre Teil des „WiMi“-Alltags. Zwischen zwei und 18 Stunden pro Woche, je nach Stelle, gehen für Betreuung von Studenten, Vorlesungen und Übungen drauf.
Wie geht es nach der Promotion weiter?
Die Hochschulkarriereleiter ist nach der Promotion steil und mühselig. Während man in der freien Wirtschaft schon mit 30 Gründer, Gesch.ftsführer oder sonst ein „Ober-Boss“ sein kann, beginnt die Karriere als Professor meist frühestens mit 40. Mit dem Doktortitel kann man sich auf Dozentenstellen bewerben. Dann heißt es erstmal: Erfahrungen sammeln, forschen, Kontakte knüpfen – parallel dazu noch die Arbeit an der Habilitation. Wer die geschafft hat, darf an deutschen Hochschulen lehren, forschen – und den Titel Privatdozent tragen. Professor ist man damit nämlich noch nicht, dazu muss erst der „Ruf“, so wird die Zusage nach dem Berufungsverfahren genannt, auf eine passende, ausgeschriebene Professur erfolgen.
Und diese Stellen sind rar. Fies: Zum „Professor im Beamtenverhältnis“ darf nur ernannt werden, wer das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Wer mit Ü50 noch nie Professor war, fällt ohne Plan B tief. Findet man eine passende Professur, folgt im Berufungsverfahren eine Probevorlesung vor einer Kommission – das „Vorsingen“. Erst wenn alle überzeugt sind, dass praktische Erfahrungen, pädagogische Fähigkeiten und wissenschaftliche Erfolge stimmen, kann‘s losgehen.
Übrigens: Im Gegensatz zu Universitäten werden an Fachhochschulen Professoren teilweise händeringend gesucht! Hier können neben der Lehre eigene Themen bearbeiten werden, die Praxis geht nicht ganz verloren. Allerdings sind die Anforderungsprofile sehr speziell, zudem muss der Bewerber mindestens fünf Jahre Berufserfahrungen, drei davon außerhalb der Hochschule, mitbringen.
In Deutschland gibt es seit 2002 auch die Möglichkeit, mit einer Top-Promotion ohne Habilitation Juniorprofessor zu werden. Die machen das gleiche wie „echte“ Professoren. Allerdings sind die Stellen befristet, man verdient weniger und hat eine geringere Lehrverpflichtung. Theoretisch eine gute Idee, begabten Absolventen den schnellen Einstieg zu ermöglichen – in der Praxis hat sich das Modell aber nicht durchgesetzt. „Spiegel Online“ veröffentlichte schon 2013 den „Abgesang auf die Juniorprofessur“: Den Unis fehlt der Mut zur Veränderung, Fördergelder werden gestrichen, sodass sich die meisten Post-Docs weiterhin für den klassischen Habilitations- Weg zur Professur entscheiden.
Wenn Jan promoviert hat, möchte er kein Professor werden! Er will in die Industrie wechseln. „Langfristig wünsche ich mir einen geregelten Tagesablauf, einen ‚echten’ Feierabend und die Chance, finanziell und auf der Karriereleiter schnell weiter nach oben zu kommen.“
Kanäle