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Verhaltenregeln für Journalisten
Agenda Setting, Nachrichtenwert, Lasswell-Formel? Alles schön und gut. Aber ein guter Journalist muss mehr beherrschen als die graue Theorie. Zum Beispiel sollte er wissen, wie man sich in der Medienwelt als freier Mitarbeiter durchschlägt. Wie mühsam das trotz Spitzen-Uniabschluss und Arbeitserfahrung sein kann, führt die Netflix-Fortsetzung von „Gilmore Girls“ vor. Wer mit ansieht, wie Yale-Absolventin Rory Gilmore langsam in die Arbeitslosigkeit abdriftet und am Ende im verstaubten Redaktionsbüro der Dorfzeitung „Stars Hollow Gazette“ am DOS-Rechner sitzt, macht sich automatisch Gedanken über die richtige Kundenakquise. Kurze Manöver-Kritik: Man muss nicht jeden Auftrag annehmen, aber definitiv mehr als nur seine Lieblingsthemen bearbeiten. Rorys Gespräch beim Online-Portal „SandeeSays" lehrt uns außerdem, dass hippe Startups anders ticken als etablierte Medienunternehmen – etwas Recherche schadet da nicht. Was passiert, wenn Ehrgeiz in Irrsinn umschlägt, hätte uns die neue Amazon-Serie „Wake Up America!“ ausführlich zeigen können. Leider ist es bei der Pilotfolge geblieben, in der Reporterin CC Rhodes im Eifer des Gefechts den Gouverneur niederreißt und zur Strafe in der Boulevard-Hölle der Morning-Show „Wake Up America!“ landet. Schade drum.
Schon etwas älter, aber besonders in publizistischer Hinsicht sehenswert sind die Serien „The Wire“ (2002-2008) und „The Newsroom“ (2011-2014). Der HBO-Klassiker prangert in der fünften Staffel die übertriebenen Ambitionen eines Jung-Journalisten an, der Geschichten fälscht, um den „Pulitzer Preis“ zu gewinnen. „The Newsroom“ von Aaron Sorkin („The Social Network“) erzählt vom mühsamen aber beispielhaften Kampf eines Nachrichtensprechers, der seiner Sendung den Sensationsjournalismus austreiben will. Das aktuelle Thema „Fake News“ wird die angekündigte CBS-Serie „The Get“ aufgreifen: Hier geht's um ein Team von Journalisten, das sich dem Lug & Trug im Internet entgegenstellt. Wie spannend richtiges Fact-Checking sein kann, lernt ihr aber erst ab 2018. Keine Sorge: Putin, Erdogan und Trump halten das Thema solange für uns warm.
»»Für Medizin-Studenten
Archaische Heilkunde
Ja ja, gerade Arztserien strotzen nur so vor fachlichen Ungereimtheiten, wir haben es alle mitbekommen. Macht ruhig einen Bogen um „The Night Shift“ und „Grey's Anatomy“. Abhilfe schafft in diesem Fall etwas zeitlicher Abstand: Der Mehrteiler „Charité“ von Sönke Wortmann („Frau Müller muss weg“) spielt Ende des 19. Jahrhunderts im berühmten Berliner Krankenhaus „Charité“ und beleuchtet die medizinhistorischen Errungenschaften dieser Zeit. Um die ärztliche Praxis am Anfang des 20. Jahrhunderts geht es in „The Knick“ und „A Young Doctor‘s Notebook“. Hier knacken die Knochen, spritzt das Blut und der Unterschied zwischen Arzt und Metzger erschließt sich dem Zuschauer erst auf den zweiten Blick. „A Young Doctor‘s Notebook“ zeigt die Lebensgeschichte des fiktiven Mediziners Vladimir Bomgard („Harry Potter“-Darsteller Daniel Radcliffe), der seine ersten Gehversuche nach dem Studium als Landarzt in der russischem Provinz macht. Wie J.D. in „Scrubs“ ist der junge Arzt von Angst vor seinen Patienten und Selbstzweifeln geplagt. Auch die von Sarkasmus getränkten Tipps seiner ihm erscheinenden älteren Version (Jon Hamm aus „Mad Men“) helfen ihm wenig. Wer den Hörsaal noch nicht verlassen hat, wird von der skurrilen britischen Serie auf Startschwierigkeiten und den Kontakt mit diversen Körperflüssigkeiten vorbereitet. Noch ernster, aber nicht weniger archaisch geht es in „The Knick“ zu. Den Antihelden Dr. John Thackery (Clive Owen) und die realistisch dargestellten Unzulänglichkeiten der damaligen klinischen Praxis sollte sich jeder Medizinstudent einmal geben. Schließlich kann es keinem schaden, sich mit den Wurzeln seiner Disziplin auseinanderzusetzen. Und neben der Erkenntnis, dass der Umgang mit Gesundheit, Krankheit und dem Tod historisch und kulturell geprägt ist, macht das Ganze noch einen Mordsspaß!
»»Für Jura-Studenten
Mehr als Gesetzestexte
Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge? Zwei Juristen, drei Meinungen? Angehende Juristen gehören definitiv zu den Berufsgruppen, die mit den meisten Klischees belegt sind und ständig mit Missverständnissen konfrontiert werden. Wie soll man da als fachfremder Mensch auch durchblicken, schließlich tun Juristen nichts anderes, als Gesetze auswendig zu lernen... wieder so ein Irrglaube. Eigentlich geht es natürlich um die Systematik – die dicken Wälzer braucht man dafür trotzdem. Ganz seitenlos und in bewegten Bildern widmen sich Anwaltsserien der Juristerei – und dieses Genre hat schon eine lange TV-Tradition. Neben Klassikern wie „Ally McBeal“ und „Boston Legal“ gibt es auch aktuelle Serien, die den geneigten Fachzuschauer etwas lehren. Wer sich noch fragt, was für ein Anwalt er oder sie werden will, sollte unbedingt bei „Better Call Saul“ reinschauen. In dem „Breaking Bad“-Prequel paukt Anwalt James McGill (später Saul Goodman) zunächst mit perfiden Tricks hoffnungslose Fälle raus und entwickelt sich später zum Rechtsverdreher für Drogenbosse. Kein guter Karriereplan! Hier spielt sich aber auch eine tragische, subtilere Geschichte ab: Als Underdog wird McGill/Goodman in einem Kampf voller Intrigen und Rachefeldzügen mit der großen Kanzlei seines Bruders aufgerieben. Von der Dynamik innerhalb einer Kanzlei erzählt die vielschichtige Serie „The Good Wife“. Wer nach dem Studium als Anwalt in einem angesehenen Büro arbeiten will, sollte sich ganz genau das Kompetenzgerangel und die Eitelkeiten bei „Lockhart & Gardner“ anschauen. Aber auch die „Vor Gericht“-Screen-Time ist hier hoch. Leider ist die Serie 2016 nach sieben Staffeln zu
Ende gegangen, mit „The Good Fight“ wird es aber bald ein überraschendes Spin-Off geben. Ein Juristenleben ohne Gerichtssäle und Kanzleien macht „Suits“ schmackhaft, wo sich die Protagonisten Harvey Spectre und Mike Ross eher wie Wall-Street-Geschäftsmänner gebärden. Nachhilfe für die Manager unter den Juristen.
»»Für informatik-Studenten
Abseits der Zahlen
Damit eines klar ist, liebe Informatikstudierende: Grundlagen wie das Modell der Turing-Maschine, das Entscheidungsproblem des logischen Funktionenkalküls oder Prinzipien der objektorientierten Programmierung lernt ihr bitte an der Uni. Unser Binge-Watching-Lehrplan vermittelt nämlich nur greifbares Wissen! Früh genug solltet ihr euch Branchenkenntnisse aneignen – jedenfalls wenn ihr beiden Großen mitspielen wollt. Und dann führt natürlich kein Weg am Silicon Valley vorbei. Wertvolle Einblicke in diese Arbeitswelt verschafft euch die gleichnamige HBO-Serie „Silicon Valley“. Hier lernt ihr nicht nur die Gesetze des weltweit bedeutendsten IT- und Hightech-Standortes kennen, sondern auch die Tücken einer Startup-Gründung. Habt ihr schon die Idee für eine bahnbrechende App parat oder einen Ansatz für einen revolutionären Algorithmus im Kopf? Dann schaut euch an, wie Richard Hendricks vom einfachen Softwareentwickler zum erfolgreichen Firmenchef von Pied Piper wird. Skurrile Typen und (gelöste) Probleme gibt es hier frei Haus. Der große Durchbruch bleibt den Jungs von Amazons „Betas“ verweigert. Gerade deswegen solltet ihr euch anschauen, wie Trey mit seinem Nerd-Team versucht, im Tech-Eldorado mit seiner Dating-App Fuß zu fassen. Und es dann einfach besser machen. Auf die dunkle Seite der IT-Macht bereitet euch „Mr. Robot“ vor. Eine teilweise expressionistische Bildsprache und Kameraarbeit werden in der anspielungsreichen Serie mit einer wirklichkeitsnahen Darstellung des Hackens gepaart – eine große Rolle spielt dabei das Social Engineering fernab von Programmcodes und die vorgeführten IT-Sicherheitsstrukturen. Aber Vorsicht: Das Ganze endet unweigerlich in Chaos und Schizophrenie – lasst lieber die Finger davon.
Text: Sven Husung
Fotos: The Knick (1), Wake Up America! (1), Medien GmbH (1), Amazon (1), Universal Pictures Germany (1)
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