St. Pauli steht immer mehr sinnbildlich für Gentrifizierung: Die Mieten steigen und es bilden sich „Luxusquartiere“. Die weltberühmte Vielfalt des Stadtteils geht dabei jedoch verloren. Das Nachsehen haben diejenigen, die es sich nicht mehr leisten können, hier zu wohnen. Aber es gibt Hilfe: Die „Öffentliche Gestaltungsberatung St. Pauli“ berät alle Anwohner des Stadtteils, die keine professionellen Gestalter beauftragen können. Organisiert wird das kostenlose Angebot von Studenten des Studiengangs „Experimentelles Design“ an der HfbK.
„Design ist mehr als ein fertiges Produkt. Es beinhaltet auch soziale Prozesse“, erklärt Daniel Pietschmann, einer der Gründungsmitglieder des Projekts. Die Idee für die Gestaltungsberatung hatte Jesko Fezer, Professor für Experimentelles Design an der HfbK in Hamburg. Seit 2011 wird das Projekt im Rahmen des Studiums angeboten. Zwischen 10 und 20 Studenten sind aktiv daran beteiligt und können so Theorie und Praxis des Studiums miteinander verknüpfen. Einmal in der Woche, am Mittwochnachmittag, findet im Kulturzentrum Kölibri am Hein-Köllisch-Platz eine Sprechstunde für Bedürftige statt. Hier werden Lösungsstrategien für städtische Probleme entwickelt. Die ersten Kunden der Gestaltungsberatung war die Bewohner einer WG im Hochhaus über dem Lidl-Supermarkt nahe der S-Bahn Haltestelle Reeperbahn.
„Dort war alles sehr heruntergekommen“, beschreibt Daniel. „Wir haben uns überlegt, wie wir wieder mehr Wärme in die Wohngemeinschaft bringen können“, erzählt Charlotte Dieckmann, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist. „Wir haben zum Beispiel günstige Möbel für die WG-Bewohner gebaut, um eine gemütlichere Atmosphäre zu schaffen.“ Auch die Betreiber der Seemannskneipe Sailors Inn in der Bernhard-Nocht-Straße fanden Unterstützung bei den Studenten, als die Kneipe in ein anderes Gebäude ziehen musste. „Der neue Raum war alles andere als seemannstauglich – also haben wir neu dekoriert und umgestaltet“, berichtet Charlotte. Der Eingangsbereich der Gesamtschule St. Pauli wurde von Daniel und den anderen Projektmitgliedern ebenfalls neu gestaltet.
Zuletzt organisierten die Studenten Mieter-Treffen für die Bewohner der Esso-Häuser. „Wenn die abgerissen werden, geht ein Stück St.-Pauli-Geschichte verloren“, befürchtet die 26-jährige. „Egal wen wir beraten, wir lernen selbstständig zu arbeiten und können die Inhalte unseres Studiums praktisch anwenden.“ Ab Anfang Mai, nach den Semesterferien, will die „Öffentlichen Gestaltungsberatung St. Pauli“ wieder mit voller Kraft durchstarten. Für das Projekt wurde Geld aus dem Elbkulturfonds beantragt und genehmigt. Davon können nun zwei Designer beschäftigt werden, die das Projekt durchgehend betreuen. „Unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass viele Menschen das Bedürfnis haben, eine Gestaltungsberatung in Anspruch zu nehmen“, sagt Daniel. „Wir wollen die Menschen dazu ermutigen, die städtischen Probleme zu hinterfragen und Veränderungen in Gang zu setzen.“
Die „Öffentliche Gestaltungsberatung St. Pauli“ bietet ab Mai wieder jeden Mittwoch eine Sprechstunde an. Willkommen ist jeder mit Gestaltungsproblemen aller Art. Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben. W: design.hfbk-hamburg.de.
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