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News aus Hamburg
THE NEXT GREEN HAMBURG

Wie sieht unsere Stadt der Zukunft aus ?

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Wohnraum ist knapp in Hamburg, das wissen wir alle. Jetzt hat die rot-grüne Koalition mit dem „Bündnis für das Wohnen“ die Weichen für 10.000 neue Wohnungen jährlich gestellt. Eigentlich gut. Die Sache hat nur einen Haken: Zugunsten der Bebauung soll die Stadt „verdichtet“ werden. War‘s das also mit dem schönen Hamburg als grüne Metropole, mit den tollen Hinterhöfen und kleinen Grünflächen überall? Hoffentlich nicht, denn es geht auch anders. Wir haben mit Experten und Jungen Hamburgern darüber gesprochen, in welche Richtung sich Unser Stadtbild in den kommenden Jahren verändern könnte.

„Falls ihr jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt... Ich suche dringend eine Bleibe in Hamburg!“

Solche Aufrufe finden sich doch mindestens wöchentlich in unseren Facebook- Feeds. Um eine Wohnung oder ein WG-Zimmer zu finden, die gut liegen, einigermaßen in Schuss UND dazu noch bezahlbar sind, muss man sich hier schon mal auf einen Such-Marathon einstellen. Das Thema Wohnen ist einfach immer ein Brennpunkt. Laut „Brandmeyer Stadtmarken-Monitor“ von Ende 2015 ist Hamburg die beliebteste Stadt Deutschlands – ach was! Das wussten wir auch ohne Umfrage und Statistik. Kein Wunder, ist ja auch ziemlich nice hier. Hamburg ist schön.

Hamburg ist schön grün. Und das trägt erwiesenermaßen zur Lebensqualität bei. Man merkt das immer nach City-Trips in Städte wie London oder New York, wenn man sich bewusst wird, dass so ein „concrete jungle“ doch ein ganz anderer Schnack ist. Wir haben Raum in Hamburg. Wir haben Freiraum. Nicht nur, dass eine der großen Erholungs-, Wasser- und Grünflächen wie Elbe, Alster oder Stadtpark nie weit entfernt ist, auch können viele sich über kleine Parks, Hinterhöfe, Gärten oder schön angelegte Grünstreifen in der Nachbarschaft freuen. Doch genau diese Flächen könnten jetzt in Gefahr geraten. 

Anfang Juni unterzeichnete die Koalition das „Bündnis für das Wohnen“, das den Bau von 10.000 neuen Wohnungen jährlich ermöglicht. Aber wohin damit? Das Stichwort lautet: Nachverdichtung. Soll heißen, dass nicht große Grünflächen oder der Stadtrand Opfer des Baubooms werden, sondern die innerstädtische Bebauung zunimnt. Aber es sind doch gerade diese Flächen, die das grüne Flair Hamburgs ausmachen!

„Wir brauchen mehr Wohnraum, darüber sind wir uns einig", so Umweltminister Jens Kerstan.

True Story. Aber wollen wir mehr Wohnungen zu Lasten der kleinen, grünen Ecken? Und wie wollen wir überhaupt in 10, 20, 30 Jahren leben? Urban? Ja! Sonst würde es uns ja nicht in die Stadt ziehen. Aber eben auch nicht um jeden Preis. Denn in Hamburg bedeutet Urbanität ein Nebeneinander von Grün und Grau, das es zu bewahren gilt! Also was tun? An Bäume ketten und protestieren? Quatsch! Ruhe bewahren: Denn Veränderungen bedeuten immer auch neue Chancen!​

  •  Qualität vor Quantität 

Das derzeitige Forschungsprojekt „Urbane Freiräume" von Stefan Kreutz, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Uni, beschäftigt sich mit der Qualifizierung, Rückgewinnung und Sicherung urbaner Frei- und Grünräume.

 

 

 

 

Links: Stefan Kreutz, wissenschaftlicher Mitarbeiter der HafenCity Universität Rechts: Jens Kerstan (Die Grünen), Hamburger Umweltminister

Er meint: „Stadt bedeutet dauerhafte Veränderung und kann niemals statisch sein. Und dass wir Wohnraum brauchen ist unumstritten.“ Mit Verdichtung gehe auch nicht immer ein Verlust von Grünflächen einher: „Eine Alternative wäre die Aufstockung bestehender Gebäude, wie Nachkriegsbauten, die oft nur einoder zweistöckig sind.“ Außerdem zeigen Revitalisierungsprojekte, wie die „Neue Mitte Altona" oder das Gebiet des alten Güterbahnhofs Barmbek, dass es durchaus Brachflächen gibt, die effektiv genutzt werden können. So bietet das Stadtparkquartier in Barmbek rund 1.200 neue Wohneinheiten. 

Hier ragen die Häuser wie Bauklötze aus dem Boden. „Also ich möchte da nicht dicht an dicht wohnen “, so Kreutz. „Andere finden das modern und schick.“ Wohn- und Freiraum sind also immer auch eine sehr subjektive Angelegenheit.

Und nicht zu vergessen das heikle Thema der Finanzierung! Hier könnte der „Natur-Cent", der mit dem „Bündnis für das Wohnen“ entwickelt wurde, Abhilfe schaffen. „Wenn auf einer Fläche neue Wohnungen entstehen, fließen gleichzeitig Mittel aus der Grundsteuer, um Grünflächen an anderer Stelle aufzuwerten und besser zu pflegen. Das kommt vor allem innerstädtischen Grünflächen zu Gute“, erklärt Umweltminister Kerstan. Die Devise lautet also: Qualität vor Quantität!

  • Unsere Zukunftsvisionen 

Es ist ja auch so, dass wir nach Wohnraum schreien, aber auch nicht am Arsch der Heide und am liebsten doch in Szenevierteln wie Ottensen, St. Pauli, Eimsbüttel oder Winterhude wohnen möchten. Wir wollen es urban haben, mit einer Top-Anbindung und den Szene-Bars ums Eck. Als i-Tüpfelchen gerne noch einen Balkon, damit wir immerhin so tun können, als ob wir Kräuter ab sofort nur noch frisch ernten. 

Um zu vermeiden, dass weiterhin alle in den wenigen „coolen" Stadtteilen wohnen wollen und diese sich immer weiter verteuern, sollten Hamburgs Stadtplaner umdenken. Wenn schon massenhaft Wohnungen gebaut werden müssen, sollte man dem Wunsch nach Grünflächen, „hippen neighborhoods" und kreativem Freiraum in den Stadtteilen nachkommen, die bislang weniger angesagt sind und diese aufwerten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The Sundeck, New York

Vielleicht muss man einfach mal mehr Mut haben, Ideen zu äußern – und gerade was UNSERE Stadt angeht, sollten wir doch auch mal rumspinnen dürfen. Was haben wir für Visionen für Hamburg? Wo können wir uns was bei anderen Städten abschauen? Wir haben mal einige durchaus machbare Ideen zusammengetragen und in einer eigenen Campus-Umfrage geschaut, was Hamburge  Studierende dazu sagen.

  • Dachgarten-Stadt 

Im Hamburg der Zukunft könnten Dachgärten eine größere Rolle spielen. Während momentan rund 6400 Dächer der Stadt mit einer Gesamtfläche von 124 Hektar begrünt sind, soll diese Fläche nach Plänen der Stadt bis 2020 um eine Million Quadratmeter wachsen. Dachgärten schaffen Lebensräume für Tiere und Pflanzen, haben bei Hitze eine kühlende Wirkung und bei Wolkenbrüchen halten sie das Wasser zurück, was als Ausgleich zur Verdichtung eine wichtige Maßnahme gegen Überschwemmungen wäre. Die Umweltbehörde in Wilhelmsburg, die HafenCity Uni und Unilever sowie etliche Bürobauten und Neubau-Siedlungen haben mittlerweile solche Gründächer. Warum diesen Plan also nicht mal weiterdenken und auch mehr Rooftops für die Allgemeinheit fördern? Hier könnte Hamburg luftig-grüner Vorreiter für ganz Deutschland werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Dachterterrassse des Bikini Berlin Kaufhauses im 10. Stock

Da hat man doch gleich Bilder von schön angelegten Dachterrassen, vielleicht sogar mit kleinen Cafés oder Bars, im Kopf. Wer in unserer Hauptstadt schon mal im Bikini Berlin Kaufhaus war, weiß wovon wir hier reden! Hier wurde die 10. Etage auf ein denkmalgeschütztes Gebäude gesetzt und eine begrünte Dachterrasse geschaffen. Der Blick ist sensationell, die Atmosphäre irgendwo zwischen szenig und tiefenentspannt. Andere Beispiele wie die Promenade plantée in Paris oder Mammutprojekte wie die High Line in New York, beide auf stillgelegten Zugtrassen erbaut, zeigen, dass es sich lohnt nach alternativen, grünen Ideen und Orten zu suchen.

Medien- und Kommunikationsstudentin Vanessa (20) aus Eppendorf meint dazu: „Mehr Dachgärten wären super schön: Man hat die perfekte Aussicht und ist weiter weg von der Straße, sodass es nicht so laut ist.“ In Hamburg könnte man das Gartendeck auf St. Pauli als Pionierprojekt bezeichnen. Hier liegt der Fokus auf Urban Gardening, also dem gemeinsamen Gärtnern. Wieso nicht mehr davon – vor allem abseits der beengten Szenestadtteile? Für Psychologie-Studentin Anita aus Eppendorf sind Dachgärten zwar nett, aber: „Man muss nicht immer so hoch hinaus. Ich mag Hamburg, weil es so ‚geerdet’ ist – auch von den Bauten her.“

 

 "Ich mag kleinere Parks lieber als Riesen-Grünflächen!"

Vanessa, Medien und Kommunikationswissenschafts-Studentin aus Eppendorf

 

 

 


 

"Ich mag Hamburg gerade, weil es so "Geerdet" ist!"

Anita, Psychologie-Studentin aus Eppendorf

 

 

 

 

 

 

"Dachgärten bringen ein Schönes Flair in die Stadt!"

Sophia, Medien und Kommunikationswissenschafts-Studentin aus Harburg

 

 

 

Sophia aus Harburg, die auch Medien- und Kommunikationswissenschaft studiert, findet die Idee wiederum gut: „Ich hab zwar keinen grünen Daumen, aber an sich bringen Dachgärten ein schönes Flair in die Stadt und könnten als Grünflächen-Alternative für mich auf jeden Fall infrage kommen!“

  • Farming Im Süden

Noch vor einigen Jahren war der Hamburger Süden durch die „Internationale Bauausstellung" in aller Munde. Wird hier bald ein neuer Szene- Stadtteil entstehen? Jetzt ist es wieder ruhiger geworden und richtig viel ist nicht passiert. Projekt- und Neubauten, wie das Woodcube-Haus als Überbleibsel der IBA sind eher moderne Fremdkörper im „normalen" Stadtbild. „Ich finde Häuser, die eine Geschichte erzählen, viel schöner“, meint Master-Studentin Julia Baumann, die ihre Hood liebevoll „Durchlaufstadtteil“ nennt. Sie wuchs in Wilhelmsburg auf und lebt jetzt auf der Veddel. „Es sind zwar viele Studenten hergezogen in den letzten Jahren, doch die meisten suchen von hier aus weiter.“ Aber warum können die jungen Leute nicht gehalten werden? Ist zu wenig los? „Es gibt schon einige gute Locations, wie die Honigfabrik oder meinen Lieblings-Italiener Piccolo“, erzählt Julia.

Die Probleme des Stadtteils kann man aber auch mit coolen Läden,Restaurants oder Bars nicht lösen. Das „Abendblatt" schrieb 2014: „Südlich der Elbe ist Hamburg ganz anders. Nicht kühl-distanziert, reich und vornehm wie in Eppendorf oder Blankenese, sondern laut, direkt, arm, schmuddelig.“ Und das ist es noch. Zwar ist von Bandenkriegen wie in den 90ern keine Rede mehr, dennoch ist auch keine Aufbruchstimmung und vor allem nicht die stets gefürchtete Gentrifizierung erkennbar. Der bisherige Kurs, die Probleme irgendwie mit Neubauten, IBAÜberresten oder billigen Studi-Wohnungen zu übertünchen, klappt nicht. „Ich hab immer das Gefühl, die Welten existieren hier eher nebeneinander“, sagt Julia. Auch Studentin Sophia meint: „Es könnte schon schöner sein – und nicht mehr so assi.

Aber es sollten lieber auch alte Gebäude erneuert und die Missstände nicht aufgeschoben werden.“ Wir finden: Hier könnte man doch vielleicht auch gezielt ansetzen und weitere grüne Projekte als Bindeglieder schaffen, ähnlich wie in Chicago, wo derzeit ein urban-farming Stadtteil entsteht. In Englewood, eher bekannt für Armut, Kriminalität und Arbeitslosigkeit, wird durch städtische Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit lokalen Lebensmittelbetrieben versucht, die Community zu stärken.

Mehrere Farmen, Gewächshäuser und weite Flächen Land wurden auf ungenutztem Raum geschaffen. Die hier angebauten frischen Lebensmittel sowie die neuen Arbeitsplätze, die vor allem an sozial Schwache vergeben werden, sorgen für ein neues Community-Gefühl. Wäre das nicht auch eine spannende Idee für Wilhelmsburg?

  • Wassergesäumter Park statt Olympic City

Jaja, schon schade, dass Olympia den Hamburgern eine Nummer zu groß war. Aber was soll‘s? Weitermachen! Und die Fläche auf dem Kleinen Grasbrook könnte man doch im Auge behalten. Es muss ja nicht das olympische Prestige-Gedöns sein, um das jetzige Umschlagsgebiet des Hafens als „Trittstein für den ‚Sprung über die Elbe‘ in den Hamburger Süden und, Stromaufwärts an Elbe und Bille’ für die Entwicklung des Hamburger Ostens“ zu nutzen. Unser Vorbild: Das Baangaroo Reserve, Sydneys 2015 eröffneter Foreshore-Park. Die sechs Hektar riesige Fläche war ein hässliches Containerhafen-Überbleibsel.

Nach der Transformation bestimmen nun große Grasflächen, Gezeiten-Pools, Lauf- und Radwege am Wasser, Picknick-Spots, Platz für Kunstinstallationen und natürliche Vegetation das Bild. Hammer-Teil, das man nicht mehr nur schnöde als „Park“ bezeichnen kann. Das hätte doch was für Hamburg. Eine Art grüne Halbinsel! Wie geil könnten wir hier entspannt die Sonne genießen – der Weg aus der City wäre auf jeden Fall nicht weit.

Studentin Vanessa ist eher skeptisch: „Mir wäre so was viel zu riesig. Ich bin eher für die kleineren Parks auf mehrere Stadtteile verteilt.“ Das sieht Anita ähnlich: „Kleinere Flächen schaffen mehr Nachbarschaftsgefühl – große Flächen ziehen auch gleich wieder so viele Touris an!“ Aber der von der Politik langersehnte „Sprung über die Elbe“ wäre zumindest mit einem Bein geschafft – von hier aus kann der Weg ja Richtung Veddel und Wilhelmsburg weitergehen. Jura-Student Alexander hätte da auch noch eine andere Idee.

Bevor er nach Hamm zog, lebte er in München: „Im Vergleich ist Hamburg viel schöner und bietet mehr kleine Grünflächen. Aber in München gefällt mir der Englische Garten total: So verschlungen, dass es viele, schöne Nischen gibt. Und es gibt dort im Grünen überall Biergärten! Das fehlt hier irgendwie komplett. Zwar gibt es coole Bars, aber auch eben eher im urbanen Bereich.“ Das könnte man ja vielleicht mit der Kleiner-Grasbrook-Park-Idee kombinieren! In einem Punkt waren sich übrigens fast alle Studis einig: Der Campus muss grüner werden! „Klar gibt es hier die eine Wiese“, sagt Kolja, Jura-Student aus Wilhelmsburg.

„Aber im Sommer wird’s einfach zu voll und dieser 70er-Jahre-Charme geht auch gar nicht.“ Auch Anita meint: „Man verbringt so viel Zeit auf dem Campus – der könnte echt schöner sein! Aber der Uni fehlt auch das Geld.“

So ist das wohl immer: Große Ideen – gerade Bauprojekte – scheitern an Finanzierung und Umsetzung. Trotzdem sollten wir als junge Generation nicht aufhören, uns Gedanken um unsere Stadt zu machen, hinzuhören, was geplant wird und eigene Visionen auch mal aussprechen – egal ob für den eigenen Stadtteil oder für Problembezirke. Es steckt sicher noch viel (grünes) Potential in der Stadt!

Von Lesley-Ann Jahn

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