„Ein Bier, bitte!“ – Zu oft hat Fiete Matthies diese unmotivierte Bestellung an der Theke des Galopper des Jahres schon entgegennehmen müssen. Doch in letzter Zeit hat sich was getan: „Die Leute fragen neuerdings nach der Bierkarte, wissen, was sie probieren wollen oder fragen mich direkt um Rat.“ Und da sind sie bei ihm an der richtigen Adresse. Denn neben seinem Job als Barkeeper ist Fiete leidenschaftlicher Brauer mit eigener Brauerei, dem Wildwuchs Brauwerk in Bleckede hinter Hamburg. Hier kreiert er Sommer-Sorten wie das „Bock O‘Range" oder das fruchtig-herbe „Fastmoker Pils".
„Für mich ist Craft Beer eigentlich gutes, kreatives Bio-Bier. Aber das klingt natürlich nicht halb so cool." Fiete Matthies, Brauer
Aber was genau verbirgt sich eigentlich hinter Craft Beer, und wo liegt der Unterschied zu Standard-Bieren? Fiete erklärt: „Wir arbeiten traditionell mit Malz, Hopfen, Hefe und Wasser, experimentieren allerdings mit verschiedenen Gärverfahren, Temperaturen oder Reifeprozessen.“ Sein „Fastmoker Pils" erhält seinen besonderen Geschmack beispielsweise durch das sogenannte Kalthopfen, also der erneuten Zugabe von Hopfen nach der Hauptgärung. Das löst spezielle Aromen und sorgt für einen erfrischenden Charakter. „Insgesamt ist mir wichtig, dass ich weiß, wo meine Rohstoffe herkommen und dass diese Bio-Qualität haben. Allgemein steht Craft Beer meistens für’s Brauen mit Leidenschaft und neuen Ideen fernab vom Mainstream“, sagt Fiete.
Neben Fiete mischen in Hamburgs Bier-Landschaft außerdem Simon Siemsglüss in seiner Buddelship Brauerei, Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei sowie Jochen Mader als Brewcifer mit und haben jeweils drei bis fünf Saison-Biere und Dauerbrenner am Start. Auch in der Ratsherrn Brauerei in den Schanzenhöfen wird fleißig an neuen Sorten getüftelt – allerdings mit drei Brauern, statt Ein-Mann-Betrieb und deutlich größeren Produktionsmengen.
„Die Bier-Szene in Hamburg ist also noch recht überschaubar, könnte aber schnell wachsen und dann hoffentlich zu europäischen Vorreitern wie London oder Kopenhagen aufschließen“, meint Klaas Twietmeyer (Foto), der auf seinem Blog Hops Hysteria als Branchenkenner über verschiedene Bierstile, Brauereien und Brauer berichtet. Der Bier-Blogger weiß, dass Hamburg neben Berlin zumindest in Deutschland als größter Standort der kleinen Brauereien, Craft Beer Bars und Läden gilt.
Klaas selbst trägt auch außerhalb des Internets zum Bierkultur-Wachstum bei: Mit drei Freunden betreibt er den „Beyond Beer“ Store in Eimsbüttel. Hier gibt es rund 300 ausgesuchte und ständig wechselnde Bier-Juwelen, Kurse und Tastings mit Sorten direkt vom Zapfhahn. „Industrie-Plörre hat bei uns keinen Platz. Wir bieten ausschließlich von uns getestete Biere von unabhängigen Brauereien an“, sagt Klaas über das Sortiment des Ladens.
Denn neben dem Geschmack macht ein gutes Craft Beer seiner Meinung auch die persönliche Note aus: „Der Brauprozess muss transparent sein. Die Leute unterhalten sich wieder über Bier und wollen wissen, wo gebraut wird und vor allem wer hinter den Kreationen steht“. Seine Prognose für die Zukunft ist klar: „Der Craft Beer-Trend wird in der City auf jeden Fall noch anhalten, da ist noch Luft nach oben, und in Hamburg geht einiges!“
Adressen für Bier-Highlights Bars: Galopper des Jahres, Schulterblatt 73 (Sternschanze), Schankwirtschaft, Detlev-Bremer-Str. 43 (St. Pauli); Alles Elbe, Hein- Hoyer-Str. 63 (St. Pauli), Altes Mädchen, Lagerstr. 28b (Sternschanze). Bier-Stores: Beyond Beer, Weidenallee 55 (Eimsbüttel), Craft Beer Store, Lagerstr. 30a (Sternschanze), Bierland Hamburg, Seumestr. 10 (Eilbek).
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