Vegane Produkte sind mittlerweile überall und vor allem in den normalen Super- und Drogeriemarktregalen angekommen. Klingt ja erstmal ganz gut für uns als tierliebe Verbraucher... Doch rein vegane gastronomische Konzepte müssen derweil mit diesem riesigen Angebot konkurrieren. Das sagt zumindest Christian Kuper, der zusammen mit seinem Geschäftspartner Topias Rohde Vincent Vegan leitet. Seit 2014 fahren sie gut damit – wortwörtlich sozusagen. Denn mit ihren Foodtrucks fing alles an. Das Team tourt damit zu Festivals und Veranstaltungen, versprüht gute Laune und sorgt für eine gute Stärkung zwischen Beat und Bass.
Mit ihrem zusätzlichen veganen Laden im Food Court der Europapassage haben sich die Vincent Vegan-Gründer nun einen neuen Meilenstein gesetzt. Christian findet, dass es durch die steigende Konkurrenz im veganen Business immer wichtiger wird, Menschen mit originellen, professionellen Konzepten von dort abzuholen, wo sie in ihrem Leben stehen. „Am Anfang war Vincent Vegan hip – vielleicht zu hip. Später wollten wir gar nicht mehr so sein, sondern auch alle anderen Menschen ansprechen, die sich nicht damit identifizieren können.“
Vincent Vegan-Gründer Christian Kuper
In der Europapassage erreichen sie nun auch Menschen, die ihre Mittagspause nicht nur lecker, sondern auch nachhaltig gestalten möchten. Trotzdem macht Vincent Vegan mit der Philosophie und dem Hashtag #veganisnotatrend auch deutlich, dass vegan essen und genießen kein Food-Trend ist, sondern eine ernstzunehmende Ernährungsweise. Dafür verrät Christian, was seine Geheimzutat ist: Detailverliebtheit für Gaumen und Auge.
Wer die leckeren Burger, hauseigenen Dips oder Chili-Peanut-Onion-Fries probiert hat, weiß das zu schätzen. Für Christian hat sich der Veganismus zwar mittlerweile fest in Hamburg etabliert, doch der Geschäftsführer wünscht sich für die Zukunft, dass die rein vegane Gastronomie als faire Arbeit noch ernster genommen wird. Denn: „Sie macht Spaß und bringt gleichgesinnte Kunden und Kollegen zusammen, was eine wirklich tolle Sache ist!”
Stadt vs. Land
Ganz wichtig in der veganen Gastroszene Hamburgs ist dabei die Vernetzung untereinander. Kerrin Kruse ist Inhaberin des Froindlichst. Sie teilt die Meinung von Christian und hat sich über den Besuch der „Vincis“, wie sie liebevoll sagt, bei ihrer Opening Party in Ottensen sehr gefreut. Zusammen mit Hendrik Terner hat sie im Februar ihr zweites veganes Restaurant mit DJ, Vino und vollem Haus aufgemacht.
Angefangen sind sie mit dem ersten Froindlichst in Winterhude. Von dort aus machten die Burger-Namen wie Hot Amigo, Barbie Kuh und deren leckerer Geschmack in Hamburg die Runde – vom legendären Carrot Cake ganz zu schweigen. Beliebt ist das Froindlichst aber auch für das vegane Brunch-Buffet jeden Sonntag, hier solltet ihr die heißbegehrten Plätze früh reservieren! Wer mehr Lust auf Salat hat, greift zum Lunch nach der Billy iBowl mit Quinoa, Avocado und Süßkartoffelpommes oder der Elli Spirelli mit Zucchininudeln.
Im neuen Laden in Ottensen hat das Team zudem eine Zapfanlage eingebaut und ihr könnt euch hier jetzt auf drei Sorten local Craftbeer aus den ÜberQuell Brauwerkstätten in Hamburg freuen. Dass man schon beim Lesen der Speisekarte und den verrückten Wortschöpfungen für die Gerichte gute Laune bekommt, ist auch in der Ottensen-Location Teil des Konzepts. „Vegan ist easy, schmeckt und macht Spaß! Das wollen wir in einer lockeren, gemütlichen Atmosphäre unter Freunden rüberbringen. Ganz ohne Zwang, eben richtig froindlichst.“
Genau wie Vincent Vegan möchte das Team niemanden mit erhobenem Zeigefinger bekehren. Und trotzdem: Sogar skeptische Hamburger, die nichts vom veganen Lebensstil hielten, sind über Freunde zu Stammgästen geworden, wenn auch nicht zu Veganern. Dass hinter so einem Erfolg viel Arbeit, Zeit und Schweiß steht, kann man sich vorstellen.
Kerrin hat dafür sogar ihr Studium abgebrochen und steckt nun all ihre Leidenschaft und Liebe in die beiden Restaurants. In den letzten Monaten hat sie festgestellt, dass der vegane Lifestyle mittlerweile zwar in Städten wie Hamburg fest verankert, aber in kleineren Orten und Dörfern außer- halb der Metropole noch nicht richtig angekommen ist. Da bräuchte es vielleicht noch mehr Aufklärung – aber auch die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Es gibt also durchaus noch veganes Potential!
Vegane Ernährung als Lebensform
Vegan essen gehen können viele, veganes Essen kochen kann nicht jeder. Doch auch dafür hat Hamburg eine Top-Location parat: die Kochschule Kurkuma, Deutschlands erste vegane Kochschule überhaupt! Roman Witt, Gründer der Wohnküche Happenpappen, eröffnete die Kochschule vor knapp drei Jahren. Später kam der vegane Foodblogger und gelernte Physiker Arne Ewerbeck dazu. Mit der Kochschule zogen sie vor allem neugierige Hamburger an, die sich für den Food-Trend interessierten.
Mittlerweile fällt den beiden auf, dass immer mehr Menschen die Kochschule gezielt besuchen, weil sie ganz bewusst auf tierische Produkte verzichten möchten und nach leckeren Alternativen suchen. Die meisten Gäste sind nach wie vor – genau wie in den Restaurants – keine Veganer, sondern Menschen, die vegetarisch oder flexitarisch essen. „Heutzutage geht man mit dem Thema Ernährung viel bewusster um als früher. Unsere Gäste interessieren sich wirklich dafür, sind über jeden Tipp dankbar und bringen einen gesunden Hunger mit,“ sagt Arne.
Themen wie Ernährung bei Rheuma, Clean Eating und Naturkosmetik werden immer interessanter und die Kochschule passt ihr Angebot darauf an und aktualisiert es mehrmals im Jahr. Sie bietet mittlerweile 15 bis 20 Kochkurse und Workshops im Monat an, wobei sich viele an Länderküchen und saisonalen Themen orientieren. Was wohl besonders Kenner der veganen Szene freut, ist, dass neben den Experten aus Hamburg auch hin und wieder bekannte Persönlichkeiten Kurse geben. So hatte das Kurkuma schon die vegane Köchin und Kochbuchautorin Sophia Hoffmann und Bloggerin Nicole Just zu Gast, die Rezepte entwickelt und auch schon im TV als Köchin zu sehen war.
Regional und sozial
Wer vegan kochen möchte, für den ist der vegane Einkauf eine wichtige Basis. Neben dem stetig gewachsenen veganen Sortiment in normalen Supermärkten, die mehr oder weniger auf den Trend-Zug aufgesprungen sind, gibt es auch Läden, die aus Überzeugung und Leidenschaft ausschließlich rein vegane Produkte verkaufen. Wie das Twelve Monkeys auf St. Pauli. Der Laden ist nicht nur eine Einkaufsmöglichkeit, sondern unterstützt zusätzlich soziale Projekte und regionale Lieferanten.
Inhaberin Sandra Neumeier beweist mit der Location, dass besondere Konzepte den Unterschied machen. Zur Eröffnung startete Twelve Monkeys mit frischen Lebensmitteln als Hotspot für gesunde Ernährung. Mittlerweile bietet der Laden viel mehr Specials wie Fleisch- und Milchersatz und veganen Süßkrams an, der sehr beliebt ist. Dabei bleibt alles nach wie vor möglichst bio und fairtrade. On top verkauft das Twelve Monkeys als einer der ersten Läden in Hamburg vieles verpackungsfrei. Dass es in diesem Bereich mittlerweile Konkurrenz von anderen verpackungsfreien Läden und einem Zero-Waste-Café gibt, sieht Sandra positiv und hofft, dass diese Entwicklung anhält.
Was den Veganismus betrifft, sieht auch sie die Konkurrenz durch Supermarkt & Co. – aber: „Immer mehr Kunden, die vorher in großen Ketten eingekauft haben, kommen jetzt wieder zu uns, habe ich das Gefühl. Das sind viele junge, aber auch ältere Menschen, die es schätzen im Tante-Emma-Laden von nebenan wirklich beraten zu werden.“
Fazit: Hamburg is(s)t vegan.
Von Restaurants und Foodtrucks über Kochkurse bis zum Tante-Emma-Laden sind die Angebote nicht mehr aus der Stadt wegzudenken. Vegan Essen und Kochen ist kein Trend mehr, sondern ein fester Bestandteil, wenn es um eine bewusstere Lebensweise und puren Genuss geht. Der Veganismus ist aus seinen Kinderschühchen herausgewachsen und wird erwachsen – weg vom Food-Trend und hin zu einer qualitativ hochwertigen, nachhaltigen und ernstzunehmenden Ernährungsweise. Und das ist auch gut so! Wir hoffen auf viele weitere, leckere Kreationen und leidenschaftlich geführte Läden in den kommenden Jahren!
Text: Marie Krebs
Fotos: Mathias Kort (2), Daniel Müller (1)
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