Wer als Student nach Hamburg zieht, sucht doch vor allem erst einmal eins: ein bezahlbares Zimmer in einer passablen WG mit Nähe zur Uni. So ging es mir 2007, als ich zum Studieren nach Hamburg zog. Allerdings wählte ich nicht, wie die meisten meiner Kommilitonen, ein Trendviertel zum Wohnen, sondern mit Barmbek eher einen Außenseiter-Stadtteil. Ich musste mich oft mit Fragen wie: „Ist das nicht weit zum Campus?“ Nö. Und: „Das ist doch etwas assig da, oder?“ herumschlagen. Wirkte es vielleicht mal, ja. Aber heute? Möchte ich in keinem anderen Bezirk leben. Denn mit einem Stadtteil ist es doch wie mit einer Beziehung: Wenn dein Partner dich so nimmt wie du bist, weißt du wo du hingehörst. Und eins kann ich nach zehn Jahren in Barmbek definitiv sagen: Das ist meine Hood. Oder wie die großartigen AnnenMayKantereit singen würden: „Zu Hause bist immer nur du.“
Das liegt vor allem an der Tatsache, dass ich in Barmbek an einem Samstagnachmittag in Jogginghose ungeschminkt und mit Socken in Birkenstocks zum nächsten Bäcker um die Ecke schludern kann, ohne schiefe Blicke meines Umfelds zu ernten. Es interessiert einfach niemanden. Hier macht jeder was er will. Deshalb kann ich genauso drei Tage später aufgebrezelt zum Penny um die Ecke zwischen dem Anzugträger, der Rentnerin und der Mitvierzigerin im Frauentausch-Gedächtnislook stehen, ohne mir deplatziert vorzukommen. Kurz: Barmbek ist Multi-Kulti – alle sozialen Schichten, Altersspannen und Nationalitäten vereinen sich. Ich fühle mich sehr sicher hier und.... richtig: Zu Hause.
Hier macht jeder was er will. Und wir Barmbeker sind vielleicht nicht so cool. Aber weißt du was: Das wollen wir auch gar nicht sein.
Das ist heute immer noch so. Das Schöne aber ist auch: Der Stadtteil mauserte sich in den letzten drei Jahren von einem angestaubten, miefigen Wohnviertel zu einem ziemlich coolen Bezirk. Ulrich Hoffmann, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Fuhlsbüttler Straße, bestätigt: „Barmbek hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Viele Neubauten und die Neugestaltung der Fuhle als Flaniermeile sind fertiggestellt."
In der Straße, die am U- und S-Bahnhof beginnt und bis nach Ohlsdorf reicht, wechseln sich orientalisch angehauchte Cafés mit Soul Food-Restaurants und Feinkostläden ab. Dazwischen verkaufen alteingesessene Barmbeker ihr Eis, gefühlt alle fünf Meter steht ein Bäcker (wir haben sogar ein Café May!) oder Blumenladen. Wer auf der Fuhle Klamotten kaufen will, darf sich allerdings nur zwischen Trekkingsachen und Ramsch entscheiden.
Dafür ist es in Barmbek so kontrastreich wie wohl sonst kaum in Hamburg. Du kannst binnen weniger Minuten in den Süden zur Hamburger Meile fahren, um anschließend an der U-Bahn Dehnhaide das Gefühl zu haben, du seist in einem hässlichen Londoner Vorort, während ein paar Kilometer weiter der idyllische Osterbekkanal wartet, auf dem du prima mit Freunden per Ruderboot durchs Grüne schipperst.
Die Mieten steigen – aber sind noch bezahlbar
Und architektonisch? Passiert hier eine ganze Menge. Die Hansestadt gibt alles, um Barmbek für sämtliche Einkommensschichten attraktiv zu machen. Die Rotklinker gehören zum Bild dazu, klar. Gepimpt wird dieser Anblick seit einigen Monaten durch Straßensanierungen und schicke Neubauten: Schrebergärten weichen modernen Wohnkomplexen, Maisonette-Wohnungen entstehenden an der Ringbrücke. Familien finden einen kinderfreundlichen Ruheort im Quartier 21. Auf dem ehemaligen Krankenhausgelände der Asklepios Klinik leben über 1000 neue Barmbeker. Daran grenzt ein MeridianSpa, dessen Mitgliedschaft im Jahr so viel kostet wie ein halbes Bachelorstudium. Mal abgesehen von den Mietpreisen der Wohnungen mit Webergrill besetzten Balkonen und bodentiefen Fenstern. Klingt antiquiert? Ist es auch ein bisschen. Das Quartier21 ist eine kleine eigene Welt, in der man als Student nicht unbedingt wohnen, aber prima im Restaurant Q21 ein bezahlbares Barmbeker Bier trinken kann.
Durch den Zuwachs an modernen Wohnungen und der allgemeinen Aufwertung des Stadtteils, haben also immer mehr junge Familien und Besserverdiener ihren Weg ins alte Arbeiterviertel gefunden – und damit schossen leider die Mietpreise in die Höhe. Doch trotz der Gentrifizierung gibt es hier immer noch erschwingliche Wohnungen: Pro Quadratmeter zahlt man durchschnittlich 11,86 Euro. Dagegen sind Ottensen mit 14,30 Euro und die Sternschanze, sowie St. Pauli mit jeweils knapp 13 Euro deutlich teurer. „Die steigende Attraktivität Barmbeks und die zentrale Lage sorgen für großes Interesse auf dem Wohnungsmarkt“, sagt Hoffmann. „Vor allem junge Menschen ziehen nach Barmbek, da hier der meiste Wohnraum noch bezahlbar ist.“ Warum also nicht das WG-Zimmer in Barmbek suchen? Eines ist dir dann zumindest sicher: Du hast noch Kohle zum Party machen. Und der Weg zum Stadtpark mit seiner Grillwiese und der Freilichtbühne ist auch nicht weit.
Klar, wir haben keine mit Hipster-Bars gefüllten Straßen wie die Eimsbüttler, Ottenser oder Sternschanzler. Geschweige denn angesagte Shoppingmöglichkeiten. Und wir Barmbeker sind vielleicht nicht so cool. Aber weißt du was: Das wollen wir auch gar nicht sein.
Text: Bonnie Stenken
Foto: privat (1)
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