„DAS WAR DER ERSTE KOMBILADEN ÜBERHAUPT. AMNFANG WURDE ICH NUR BELÄCHELT. DIE HABEN GESAT, DER MACHTS NICHT LANGE."
Wer seine Wäsche nicht in einem sterilen Umfeld waschen möchte, geht nach Ottensen zur Laundrette. Den Laden gibt’s schon seit 2003 – damals hieß er noch Waschbar und wurde 2008 von Stephan Fehrenbach übernommen. Die Location ist ein Vorreiter in Sachen Kombiläden. Als Café/Bar/Waschsalon kommt sie im Viertel super an. „Die Idee zieht halt – du musst sowieso auf deine Wäsche warten, dann kannst du stattdessen auch gemütlich einen Kaffee trinken“, so Stephan. Die Laundrette ist muckelig, ein Ort zum Verweilen – authentisch und ein wenig kiezig. Hier wird vor allem Fußball geschaut, gewaschen und am Wochenende auf den Maschinen getanzt oder gesungen. Stephans Vision vom Laden? „Mitarbeitern Chancen geben. Faire Arbeitsverhältnisse schaffen. Ich bin gerade sehr glücklich, ich hab’ ein grandioses Team, das füreinander einsteht.“ Kunden werden zu Freunden, so wie Peter Rehlich, der als Stammkunde auch mal bei brenzligen Situationen für Stephan hinter der Bar einspringt oder als Songwriter kleine „Waschmaschinen-Konzerte“ gibt.
Auch das Scarpovino im Schanzenviertel hat Vorbildfunktion. Als „Urquelle der Kombiläden“ hat sich Gründer Hermann Dreyer in der Schanze als erster getraut, zwei Shop-Idee zu mixen: Schuh und Wein. Seine Waren sind hochwertig und er kennt fast alle Händler und Hersteller persönlich. „Keine Chemie, keine Kopfschmerzen am Tag danach“, sagt er stolz über seine Weinauswahl. Dabei ist die ungewöhnliche Kombi aus Wein und Schuh zunächst aus der Not heraus entstanden: Er hatte zwei Leidenschaften und konnte sich nicht für eine entscheiden. Bis heute gibt es viele Passanten, die sich über den ungewöhnlichen Mix wundern – obwohl es das Geschäft schon seit unschlagbaren 27 Jahren gibt. Damals war es noch ein kleiner Laden, gegenüber dem jetzigen Standort. Die ersten anderthalb Jahre musste Hermann sogar dort schlafen, weil er weder eine Wohnung noch genügend Geld hatte. Seine Idee war sogar so originell, dass ein anderer Betreiber ihn an einem anderen Standort kopieren wollte. Der Laden war aber nicht erfolgreich und machte fix wieder dicht. Hermann ist mittlweile Besitzer von zwei Geschäften. Der andere Laden ist in Eppendorf – dort gibt’s allerdings nur Wein.
Waffeln und Design bei Pauline und Jan
Von solchen Urgesteinen, wie dem Scarpovino oder der Laundrette, können sich Jungunternehmer eine Scheibe abschneiden. Pauline Bouteleux, die in Vaals (Holland) aufgewachsen ist und in Amsterdam und Hamburg studierte, hat es gewagt. Sie war 26 und kam frisch aus dem Design-Studium, als sie 2013 den Laden Salon Wechsel Dich mit Kumpel und Kollege Jan Havermann aufmachte. Nach mittlerweile drei Jahren hat sich alles ganz gut eingespielt. Das Konzept: Du sitzt in einem Café, findest die Einrichtung ziemlich geil und willst sie am liebsten sofort mitnehmen? Hier ist das möglich. Dazu gibt’s à la Tischlein-Deck-Dich Waffeln – auf Wunsch auch am Stil. Tipp am Rande: Besonders lecker ist vor allem die herzhafte Variante mit Lachs und Rotebeete-Meerrettich-Dip! Der Salon ist etwas für Menschen mit Entdeckerdrang: Im Grindelviertel verborgen, im Souterrain versteckt, der Laden selbst verwinkelt.
"HEUTZUTAGE IST ES SCHWIERIG, EINFACH NUR CAFE ZU SEIN. GASTRO ALLEIN IST ZU LANGWEILIG FÜR MICH UND UNSERE KUNDEN".
Pauline Bouteleux, Inhaberin des Salon Wechsel Dich
À la „Probier’s mal mit Gemütlichkeit" sind auch die Inhaber total entspannt. Pauline – von Natur aus Freigeist – hat viele Ideen und Projekte im Kopf, möchte verknüpfen, zusammenbringen, sich mit Designern vernetzen. Warum der Kombiladen? „Es ist langweilig, nur eine Sache zu machen, man möchte sich auch abheben. In Deutschland fängt das mit den Kombiläden jetzt erst an. In Amsterdam kriegst du reihenweise Concept-Stores.“
Ganz frisch und neu: Das Fahrrad-Café St. Pauli und der ABC-Magazin- Laden in der Weidenallee
Wer am Fahrrad-Café St. Pauli vorbeigeht, bleibt sofort stehen – die Location ist auf jeden Fall derzeit eine der coolsten in Hamburg! Die Idee an sich ist schon grandios: Wer liebt Kaffee? Wer liebt sein Rad? Und das in Kombination? Wow! Fahrradreparaturen zu fairen Preisen und in lockerer Atmosphäre – als würde dir dein Kumpel schnell mal das Rad zusammenflicken. Die Räume sind super stylisch, aber auch total gemütlich. Sie wurden mit viel Liebe von Inhaber Razak Steinbrich persönlich gestaltet. Alles selbst gestrichen und selbst gebaut. Tipp: Das „Glitzer-Klo" ist einen Besuch wert! Hinter dem Laden steckt ein Familienunternehmen: Vier Geschwister, die sich gegenseitig helfen, wo es nur geht. Das Unternehmer-Gen wurde wohl von Papa vererbt: Der verkauft auf dem Fischmarkt hanseatische Artikel.
Razak Steinbrich, Inhaber Fahrrad-Café St. Pauli
Auch der ABC Magazin-Laden ist ein absoluter Newcomer, aber leider ab Dezember 2016 auch erstmal wieder weg. Die Inhaberin Sara Lisa Schäubli war mutig. Durch ein Crowdfunding- Projekt konnte sich die Schweizerin seit Oktober für zwei Monate die Pop-Up-Fläche in der Weidenallee mieten. Seitdem testet sie ihr Kombi-Konzept: ein Laden, der Magazine in den Mittelpunkt stellt, ein Treffpunkt, der zum Lesen und Verweilen einlädt – mit einer Art Café im hinteren Bereich. Auch hier zählt die entspannte Wohnzimmer- Atmosphäre. Zusammensein. Ideen austauschen. Für Sara Lisa steht bereits jetzt fest, dass es nach den zwei Pop-Up-Monaten weitergehen soll. Halten wir also unsere Augen auf, wo sich der ABC Magazin-Laden dauerhaft niederlassen wird.
Unser Fazit: Coole Läden, die auf individuelles (DIY-)Interieur und Produktmix setzen, gibt es in Hamburg en masse. Echte Kombiläden, die zwei – im spannendsten Fall komplett gegensätzliche – Ideen umsetzen, sind hier jedoch eher selten zu finden und müssen sich noch ausprobieren oder wollen erst das Kunden- Feedback abwarten, wie der ABC-Magazin-Laden. Eins steht jedoch fest: Heutzutage wollen Einzelhändler Produkte nicht nur einfach verkaufen, sondern den Kunden Wohlfühlmomente und individuelle Kauferlebnisse bieten. Wir stehen auf originelle Ideen und da ist in Hamburg definitiv noch Kombi- LadenLuft nach oben!
Text: Hoai Phuong Tran Thi
Fotos: Hoai Phuong Tran Thi (3)
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