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News aus Hamburg
LABSKAUS & PLATTDEUTSCH

Wir feiern das Norddeutschland-Revival!

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Heimat ist heutzutage ein schwieriger Begriff. Denn zu oft wird er leider von den Falschen missbraucht – zum Hochhalten unvertretbarer, alter Werte und zur Ausgrenzung von Fremdem. Dabei ist Heimat eine Herzensangelegenheit, sie prägt uns, sie birgt Erinnerungen und ist für immer ein Teil von uns. Wir zeigen euch, dass Heimatliebe auch anders funktioniert: Denn in und um Hamburg interpretieren junge Kreative Norddeutsche Kulturgüter ganz neu und sorgen damit nicht nur für einen Kulturaustausch, sondern auch dafür, dass Akkordeonspielen, Plattdeutsch und Labskaus wieder cool sind!

Moin moin!
Klar, wir alle lieben unsere Heimatstadt Hamburg. Egal ob wir hier geboren, aufgewachsen oder zugezogen sind, die alte Hansestadt hat uns ganz schnell um den Finger gewickelt und wir sie tief in unser Herz geschlossen. Was es genau ist, das Hamburg so besonders macht, können wir gar nicht sagen. Das aufregende Nachtleben, die wunderschönen Plätze überall am Wasser, die „steife Brise“, die uns hin und wieder um die Ohren weht und manchmal sogar das „Schmuddelwedder“. Und nicht zu vergessen: der norddeutsche Charme. Das lässige „Moin“, das hier an jeder Ecke zu hören ist, und diese wunderbare Entspanntheit, die Mensch vielleicht nur haben kann, wenn er viel Wind und Wasser um sich hat. Es ist eben die norddeutsche Kultur, die wir so mögen.

Damit wir davon jeden Tag ein Stückchen abbekommen, haben es sich ein paar junge Nordlichter zum Beruf gemacht, uns genau das näher zu bringen – sie kleiden uns mit modern-maritimer Fashion, bekochen uns mit Hamburger Küche 2.0 und verpassen so dem norddeutschen Lifestyle ein Update. So wie die beiden Girls, die sich Franz Albers und Käpt'n Kruse nennen. Franziska Rademacher und Wiebke Kruse interpretieren als Gesangsduo alte Seemannslieder neu – und das ist ehrlich gesagt ziemlich unterhaltsam. „Meine Großväter sind beide zur See gefahren und mein Großonkel hat mir alte Noten und Liedtexte vererbt, die damals unter Deck gesungen wurden“, erzählt Wiebke.

Das Seefrauen-Duo Franz Albers und Käpt’n Kruse

Genug Stuff für ihre Seefrauenmission hatten die beiden Musikstudentinnen also schon mal. Allerdings mussten sie schnell feststellen, dass die rauen Seebären damals doch ganz schön sexistisch und frauenfeindlich unterwegs waren. Das wollten sie als Frauen natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Also dichteten sie die meisten Texte um. Die alten Melodien sind geblieben und die Texte heute deutlich vertretbarer.

Wer Lieder wie „Dat du mien Leevsten büst“ oder Shantys wie „Ein Schiff wird kommen“ noch selbst von seinen Großeltern kennt, der erlebt sofort ein Kindheitsflashback und spürt ganz tief die norddeutsche Seele. Mit Heimatkult oder identitären Bewegungen hat das für Franzi und Wiebke gar nichts zu tun – im Gegenteil. „Wir haben einfach Spaß, diese alten Lieder neu aufleben zu lassen und sehen das viel mehr als Kulturaustausch“, sagt Wiebke. Und diese Kultur scheint interessant zu sein, denn mittlerweile haben die beiden Nordlichter schon vor begeistertem Publikum in Wien, Vilnius, Helsinki oder Köln gespielt. Diesen Herbst wollen sie ihr erstes Album veröffentlichen. Darauf gibt’s dann auch die ersten eigenen Songs zu hören, sowie Cover bekannter Hip-Hop-Klassiker – türlich, türlich, sicher, Digger. Vorher spielen die beiden aber auch noch auf ein paar Festivals, wie zum Beispiel beim Hamburger „MS Dockville“. Mitschunkeln dringend empfohlen!

Der Style des Nordens? Viel mehr als Ringel - Shirt und Friesennerz!
Auf ganz andere Weise bringt uns die Wahl-Hamburgerin Vanessa Janneck den norddeutschen Lebensstyle nahe. Denn den hat die gebürtige Rheinländerin selbst sehr lieben gelernt, seit sie vor knapp fünf Jahren in die Stadt kam. „Ich liebe die Nähe zum Wasser, den Hafen und die Menschen, die ich hier kennengelernt habe und die heute so eine Art Familie für mich sind. Ich denke die Mischung macht Hamburg zu der Stadt, die ich jetzt mein Zuhause nennen kann“, sagt Vanessa.

Denn heute führt sie in Hamburg ihr eigenes Modelabel Vanewonderland. Die Idee dazu kam der studierten Kommunikationswissenschaftlerin, als sie selbst auf der Suche nach einem hübschen Anker-Armband als Mitbringsel war und nichts fand, was ihren Vorstellungen entsprach. Also: Selbst ist die Frau! Was damals mit filigranen Anker-Armbändchen begann, hat sich heute zum hippen Label entwickelt.

Alle Produkte von VANEWONDERLAND sowie laufend andere kollektionen norddeutscher und internationaler kleiner Label findet ihr in Vanessas Laden B-Lage in der Schanze (Kampstraße 11) 

Die lässigen Sweater und Hoodies mit dem auffälligen MOIN-Aufdruck sind euch an manchen Hansestädtern vielleicht schon aufgefallen. Genau wie die stylischen Beanies, die mit ihren Ankeraufdrucken genau das richtige für einen windigen Küstenspaziergang sind. Absolut verliebt haben wir uns übrigens in die zucker-zimt-süßen Franzbrötchen-Patches, die wir selbst auf Shirts, Sweater oder Beutel bügeln können. „Franzbrötchen sind für mich einfach typisch Hamburg“, so Vanessa. Und ganz ehrlich, die schmecken hier im Norden doch auch einfach am besten!

Norddeutsche Küche 2.0
In derselben Straße wie Vanessas Laden B-Lage findet sich noch ein weiteres Stück norddeutsche Kultur – die Hamburger Küche. Mats Borgwardt und Niels Berschneider haben diese allerdings einmal auf links gedreht und interpretieren die altbekannten Gerichte neu. In ihrem Restaurant Berta, Emil, Richard, Schneider findet sich zum Beispiel eine Variation des Klassikers Labskaus, der in der Karte aber „Kein Labskaus“ heißt und zum Glück auch viel appetitlicher aussieht als das zusammengematschte Original.

Das Gericht wird als auf der Haut gebratener Lachs auf einem Rote-Beete-Püree serviert, dazu ein Wachtelei. Auch „Hamburger National“, der Steckrübeneintopf, den Kinder des Nordens vielleicht von Oma kennen, findet sich hier in einer neuen Version. Nicht auf dem Suppenteller, sondern in seinen einzelnen Komponenten kunstvoll auf dem flachen Teller serviert. Apropos Oma: Ihre Hamburger Großeltern waren für beide Jungs die Inspiration zu ihrem Restaurant. Mats wollte, dass seiner Oma auch in der szenigen Schanze mal „was Reelles“ auf den Tisch kommt und Niels Familie führte im heutigen Berta, Emil, Richard, Schneider vorher eine eigene Fleischerei. Der Lachsschinken, hergestellt nach dem Rezept von Niels Vater, findet sich auch heute noch unter den Speisen – als Aufschnitt bei der Abendbrotplatte. Rustikal, einfach und lecker, halt Abendbrot „wie früher“.

Das Restaurant findet ihr in der Schanze in der Kampstraße 25-27 – es ist täglich außer montags geöffnet. Unter der Woche zum Dinner ab 17 Uhr, am Samstag und Sonntag schon ab 10 Uhr.

Die Gerichte sind wie die Norddeutschen selbst“, sagt Mats: „Ehrlich, unaufgeregt, ohne Schnick-Schnack.“ Und genau das setzen die beiden, übrigens waschechte Hamburger Jungs, in ihrem Laden um. Denn selbst wenn die Speisen hier ehrlich gesagt schon ziemlich instagramable serviert werden, macht jedes Gericht auch satt und zufrieden. Dass es hier als Absacker einen Kümmel gibt, ist selbstverständlich, oder? „Koddelkram“, wie Mats’ Oma sagen würde, kommt uns hier also nicht auf den Tisch. Das ist übrigens Plattdeutsch für „komisches Zeugs“.

Schnack op platt
Plattdeutsch dürfte den meisten von uns höchstens noch durch unsere Großeltern geläufig sein. Neben „Moin“, „Seute Deern“ oder „Tüdelbüdel“ kennen wir heute kaum noch plattdeutsche Begriffe. Bei Julia Nissen ist das anders. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin ist mit „platt“ aufgewachsen und spricht es noch heute – besonders gern in ihren Instastories. Denn Julia ist Bloggerin. Seit 2015 schreibt sie auf ihrem Blog Deichdeern über das Leben auf dem platten Land. Nach ihrem Agrarwirt-schafts-Studium in Kiel und einigen Zwischenstationen, lebt die 30-Jährige heute zusammen mit Mann und Kind in Nordfriesland.

Der Anfang dort war gar nicht so leicht, denn obwohl Julia das Landleben und die Nordseeküste von Beginn an mochte, hatte sie vor ihrem Umzug mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. „Ich habe oft den Satz gehört: Nordfriesland? Da willst du hinziehen? Da ist das doch so grau und trist.“ Für Julia ein Ansporn. Sie entschied sich, ihre neue norddeutsche Heimat zu erkunden und diese auch anderen schmackhaft zu machen.

Den Deichdeern-Blog findet ihr unter deichdeern.com oder bei Instagram @deichdeern_nord friesland

Über Instagram-Stories nimmt sie ihre Follower mit – ob zum Shoppen zwischen trendigem Scandi-Interiour oder zum Spaziergang auf dem Deich. „Op platt“ schnackt Julia nicht nur im Alltag, sondern auch jeden Freitag in ihren Instastories. An die viereinhalbtausend Follower hören ihr heute dabei zu. „Neben Fischbrötchen, trockenem Humor und hanseatischem Understatement, ist es gerade die plattdeutsche Sprache, die das typisch Norddeutsche für mich ausmacht“, sagt Julia. Deswegen plant sie auch schon einen plattdeutschen Podcast oder eine „platte“ Interviewreihe.

Und wir? Wir können schon mal die Haare in die steife Brise werfen und uns freuen, auf was für einem tollen Fleck Erde wir leben. Denn es sind Leute wie Wiebke und Franzi, Vanessa, Mats und Niels sowie Julia, die uns bewusst machen, wie schön wir es doch hier haben. Wir sagen „Danke“ und wissen schon, wie die norddeutsche Antwort darauf lautet: „Dafür nich’“.

Nicht genug norddeutsch? Fashion, Deko und Food-Tipps findet ihr hier!

Text: Lisa Matthiesen
Fotos: Prüsse, Kim Alena Schröder, Silke Lapina, BERS Food, Deichdeern, Adrian Degner

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