Am 26. Mai findet zum 9. Mal die Europawahl statt. Sie bestimmt die neue Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Und es ist aktuell wichtiger denn je, diese Wahl ernst zu nehmen. Denn die EU steht am Scheideweg und scheint seit dem jüngsten Erstarken populistischer Bewegungen mehr und mehr auseinander zu brechen. Großbritannien wird (nach aktuellem Stand, aber wann auch immer genau) aus der EU austreten – die Folgen sind immer noch nicht ganz absehbar. Und wenn wir an die jungen Briten denken, von denen ein Großteil gegen den Brexit stimmte, fallen auch uns ganz schnell die wesentlichen Vorzüge ein, die unsere europäische Gemeinschaft ausmachen: Reisefreiheit, Auslandssemester ohne Visumsantrag, Arbeiten in anderen EU-Staaten, kein lästiger Geldwechsel. Und das Allerwichtigste: Der seit 70 Jahren andauernde Frieden. Von den sieben Institutionen, die auf europäischer Ebene existieren, dürfen wir im Mai nur das Europäische Parlament wählen. Für Deutschland können maximal 96 Abgeordnete in das Parlament einziehen. Die gewählten Abgeordneten bestimmen dann den Präsidenten der Europäischen Kommission – aktuell Jean-Claude Juncker. Sie kontrollieren die restlichen EU-Organe, entscheiden über Gesetze und legen den EU-Haushalt fest. Somit könnt ihr eines der wichtigsten Organe auf europäischer Ebene wählen. Dennoch war die Wahlbeteiligung in der Vergangenheit vergleichsweise sehr niedrig. Für viele scheint die EU eher ein abstraktes Gebilde zu sein und unklar bleibt, inwiefern EU-Recht uns direkt betrifft. Wenn wir mit europäischen Gesetzen aktiv zu tun haben, wie beispielsweise mit der Datenschutzverordnung, sehen wir die EU häufig nur als Bürokratiemonster. Doch vor allem in den Bereichen Studium und im Arbeitsrecht hat die EU viele hilfreiche Gesetze erlassen.
- Volt geht als pan-europäische Partei ins Rennen
Dieses Jahr tritt erstmalig eine pan-europäische Partei zur Wahl an: Volt. Pan-europäisch bedeutet, dass die Partei nicht nur in einem Land, sondern europaweit mit demselben Parteiprogramm antritt. Volt wurde nach der Entscheidung für den Brexit 2017 in Luxemburg von Andrea Venzon, Colombe Cahen-Salvador und Damian Boeselager gegründet. Am 29. März 2017, als von Großbritannien der Austritt aus der EU beantragt wurde, richtete das Team eine erste Facebook-Seite ein und stellte so den Status quo der Europäischen Union in Frage. Ohne Gelder, große Namen oder politische Unterstützung ist Volt inzwischen auf Tausende von Mitgliedern in allen europäischen Ländern herangewachsen. „Ich habe mich dazu entschieden, Volt mitzugründen, da mich die aktuellen Ereignisse in Europa beunruhigen und ich der Meinung bin, dass wir selbst als jüngere Generation endlich eigenverantwortlich unsere Zukunft gestalten sollten“, so Damian. Volt hat fünf sogenannte Herausforderungen formuliert, die sie angehen wollen: Smart State, wirtschaftliche Erneuerung, soziale Gerechtigkeit, globales Gleichgewicht und Bürgerbeteiligung. Übergeordnet steht eine umfassende EU-Reform. Einen Hamburger Regionalverabend von Volt gibt es seit März 2018.
Damian (li.) gründete Volt 2017 mit.
Für unsere Stadt hat sich Helen Wullenweber als Kandidatin aufstellen lassen: „Junge Menschen sollten sich nicht nur untereinander über Europa austauschen, sondern vor allem auch mit älteren Generationen, um diesen zu erklären, warum sich ein gemeinsames Engagement für Europa lohnt.“ Von der Europawahl erhofft sich Volt, mit 25 Personen aus mindestens sieben Ländern in das Europaparlament einzuziehen, um eine eigene Fraktion bilden zu können. Davon würden fünf Sitze auf die Kandidaten aus Deutschland entfallen. Auf einer Veranstaltung von Volt im Schanzenviertel, wo die Partei symbolisch die deutsch-dänische Grenze für einen Tag wiederaufgebaut hatte, um auf einen wesentlichen Vorteil der EU hinzuweisen, erklärte Mitglied Andras: „Im Vergleich zu den etablierten Parteien steht Volt für mich für eine Politik, die frei von Ideologien ist und der ‚Best Practice’ folgt. Das heißt, Volt schaut, was in einem Land auf politischer Ebene gut funktioniert und überlegt, ob das auch in einem anderen Land umsetzbar wäre.“
Volt tritt als pan-europäische Partei zu Wahl an.
- Pulse of Europe organisiert Hausparlamente
Eine weitere junge europaweite Bewegung ist Pulse of Europe (PoE). Die Bürgerinitiative wurde von Daniel und Susanne Röder 2016 in Frankfurt am Main ins Leben gerufen. Einem Aufruf der Gründer folgend gingen nach der Gründung europaweit und auch auf dem Hamburger Rathausmarkt sonntags zahlreiche Menschen auf die Straße, um zu zeigen, dass ihnen Europa und die europäische Idee am Herzen liegen. Auch vor der diesjährigen Wahl wird es am 25. Mai wieder Demo-Veranstaltungen in der Hamburger Innenstadt geben.
Unter dem Hashtag #oureuropenow organisiert PoE auch die sogenannten HausParlamente. Hier geht es darum, aktiv Freunde und Bekannte einzuladen und sich mit einer lebendigen Diskussion am politischen Entscheidungsprozess über die Zukunft Europas zu beteiligen. Mit den HausParlamenten möchte PoE zivilgesellschaftliches Engagement für Europa dort ermöglichen, wo Meinungen als erstes entstehen: Am Küchentisch. Also beim gemeinsamen Essen mit Freunden und Bekannten zu Hause oder auch im Café, am Stammtisch oder im Park. Dazu können sich Interessierte als Gastgeber registrieren und drei bis sieben Freunde zum HausParlament einladen. Dann kann es losgehen: Die „Sitzung" dauert in der Regel zwei Stunden, wobei von PoE zur Verfügung gestellte Unterlagen einfach durch die Diskussion führen und die Antworten in einen beigelegten Fragebogen eingetragen werden. Das Ganze funktioniert quasi wie ein Spieleabend mit Freunden – aber mit zukunftsrelevanten Themen. Der ausgefüllte Fragebogen wird dann zurück an PoE geschickt, wo die Ergebnisse zusammengefasst und an politische Entscheider weitergeleitet werden.
Pulse of Europe organisert sogenannte HausParlamente.
- JEF Lädt zum Euroschnack
Die Jungen Europäischen Föderalisten – kurz JEF – sind eine überparteiliche Jugendorganisation, die sich als Impulsgeber des europäischen Integrationsprozesses sieht. Der Schwerpunkt des Vereins liegt in der Jugendbildung. Einmal im Monat organisiert die Hamburg-Sektion einen „Euroschnack“, bei dem miteinander über europäische Themen diskutiert wird. Hier könnt ihr einfach ohne Anmeldung vorbeischauen. Treffpunkt ist das Café Panter in der Marktstraße im Karoviertel. Nähere Informationen zur Verbandsarbeit und zu kommenden Veranstaltungen werden über Facebook bekannt gegeben. An der Uni Hamburg hat JEF außerdem eine eigene Hochschulgruppe, bei der Studis mitmachen und mehr zu Europa lernen können. Darüber hinaus organisiert JEF für seine Mitglieder verschiedene Seminare, Workshops und europaweite Bildungsreisen. Jacob Brank ist seit vier Jahren neben seiner Arbeit als Analyst in einem StartUp dabei. „In der JEF kann ich mich mit anderen politikinteressierten Menschen austauschen und engagieren, ohne einer Partei verpflichtet zu sein", so der 27-Jährige. Beitreten kann man ganz einfach über ein Online-Formular – Studis zahlen einen Jahresbeitrag von 24 Euro. „Ein demokratisches und föderalistisches Europa ist für mich ein Schritt in eine friedlichere und schönere Welt. Allerdings ist es 2019 nicht mehr genug nur über Europa zu reden, es ist Zeit Europa zu machen", so Jacob. „Deswegen ist es Zeit, nicht nur am 26. Mai zur Wahl zu gehen, sondern auch darüber hinaus politisch aktiv zu werden und die dringend nötigen Reformen einzufordern. Wie beim Klimawandel wird es Zeit die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Es ist unsere Zukunft und unser Europa!"
Europa machen: Der JEF Hamburg Vorstand mit Jacob Brank (u.r.) beim Landeskongress im Sommer.
Text: Jennifer von Wiegen
Fotos: Boealager (1), Becker (2), Gude (1), JEF Hamburg (1), privat (1)
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